Neue Lehre: Der künftige Digitalisierungs-Profi
Der Bedarf an IT-Fachleuten ist in der Schweiz höher als der Markt hergibt. Eine neue Lehre soll helfen, diese Lücke zu verkleinern. Mauro Patocchi ist einer der ersten Lernenden, der sich bei der Zürcher Kantonalbank zum «Entwickler digitales Business EFZ» ausbilden lässt. Die Bank hat bei der Entwicklung des neuen Berufs aktiv mitgewirkt und gehört zu den ersten Lehrbetrieben.
Text: Andreas Dürrenberger / Bilder: Flavio Pinton
Mauro Patocchi ist ein Pionier. Der 15-Jährige arbeitet seit Anfang August für die Zürcher Kantonalbank und gehört zu den ersten 100 jungen Menschen in der Schweiz, die die neue Lehre «Entwickler:in digitales Business EFZ» (EdB) absolvieren. Die Ausbildung ist im Berufsfeld «Informations- und Kommunikationstechnologien» (ICT) angesiedelt. Doch im Gegensatz zu den bisherigen IT-Lehren, die zum Beispiel Spezialisten für die Applikationsentwicklung hervorbringen, werden die EdB-Lernenden darauf vorbereitet, sich um Digitalisierungsprojekte als Ganzes zu kümmern.
«Vereinfacht gesagt ist unsere Lehre eine Mischung aus KV- und Informatiklehre», sagt Mauro. «Wir lernen zu programmieren, aber auch Prozesse und IT-Produkte zu analysieren und zu verbessern.» Dieser Mix kommt ihm gelegen. «Ich war mir lange unsicher, ob ich eine KV- oder IT-Lehre absolvieren soll. Nun habe ich beides. Ich erhalte Einblick in unterschiedliche Geschäftsbereiche und kann mit den Programmierern, aber auch den Anwendern einer App zusammenarbeiten.»
Bis Ende des Jahrzehnts fehlen über 38'000 IT-Fachkräfte
Die Entwicklerinnen und Entwickler digitales Business arbeiten an der Schnittstelle von Mensch, Technik und Wirtschaft. Eine solche Lehre gab es bislang nicht. Die Nachfrage nach Digitalisierungsspezialistinnen und -spezialisten ist jedoch hoch. Deshalb hat der nationale Verband ICT-Berufsbildung Schweiz gemeinsam mit grösseren Unternehmen, darunter auch die Zürcher Kantonalbank, die neue Lehre entwickelt.
Damit sollen noch mehr junge Menschen motiviert werden, einen ICT-Beruf zu erlernen. Das ist dringend nötig: Einer Studie von ICT-Berufsbildung Schweiz zufolge fehlen bis ins Jahr 2030 insgesamt 38'700 ICT-Fachkräfte. Und die mit Abstand wichtigste Quelle für neue Fachkräfte ist die Berufsbildung.
Ein Beruf mit Zukunft
Entsprechend positiv blickt Mauro Patocchi in seine berufliche Zukunft. «Dass diese Lehre geschaffen wurde, zeigt: Das ist ein Beruf mit Zukunft. Ich werde später sicher gute Perspektiven und viele Weiterbildungsmöglichkeiten haben.» Dass er und die anderen EdB-Lernenden, die als Pionierinnen und Pioniere viel zur Weiterentwicklung der neuen Lehre beitragen, auch ein wenig Versuchskaninchen sind, stört ihn nicht. Im Gegenteil: «Ich finde es spannend, dass wir die Ersten sind und einen neuen Weg gehen. In der Berufsschule sind die Fächer speziell auf uns zugeschnitten. Die Lernmodule in der praktischen Ausbildung sind bislang ähnlich wie bei den IT-Lernenden. Und an beiden Orten betreuen uns erfahrene Ausbildner und Lehrer.»
Im Alltag falle es ihm deshalb kaum auf, dass er berufliches und schulisches Neuland betritt. Lediglich ein Aspekt mache das deutlich: «Mein Kollege Daniel und ich sind die ersten EdB-Lernenden bei der ZKB. Wenn wir neue Leute kennenlernen, müssen wir deshalb oft erst erklären, was wir eigentlich genau machen», erzählt Mauro lachend.
«Der Bedarf an IT-Fachkräften ist hoch»
Sarah Fischer, kommt es oft vor, dass ein neues Berufsbild entsteht?
Dass ein Beruf komplett neu entsteht, ist nicht alltäglich, aber in unserer wirtschaftsnahen Berufsbildung auch nicht unüblich. Dies ist möglich, wenn Unternehmen und Berufsverbände nachweisen, dass es einen neuen Beruf wirklich braucht. Diese Nähe zur Wirtschaft ist ein grosser Erfolgsfaktor unseres dualen Bildungssystems.
Die Zürcher Kantonalbank ist eines der ersten Unternehmen, das Lernende zu «Entwickler:in digitales Business» ausbildet. Wieso bietet die ZKB diese neue Lehre an?
Die Fähigkeiten, die sich die jungen Leute während ihrer Lehrzeit aneignen, sind für uns sehr wertvoll. Der Bedarf an IT-Fachkräften ist bei uns und generell in der Wirtschaft ungebrochen hoch. Daher investieren wir nachhaltig und verstärkt in die IT-Ausbildung junger Menschen. Bei der Entwicklung der neuen Lehre konnten wir zusätzlich unsere Ansprüche nach Fachkräften im Bereich Business Engineering aktiv einbringen.
Welche ICT-Lehren bietet die ZKB an?
Total sind es vier verschiedene Lehren beziehungsweise Fachrichtungen in unterschiedlichen Varianten: Wir bilden während vier Jahren Plattform- und Applikationsentwicklerinnen und -entwickler aus. Letzterer Abschluss lässt sich als Quereinsteiger auch verkürzt in zwei Jahren im Programm «IT Way-up» erreichen. Neben der bereits erwähnten Lehre «Entwickler:in digitales Business» bieten wir auch eine Lehre in der Mediamatik an. Zudem gibt es in der Applikationsentwicklung Praktikumsplätze für Absolventinnen und Absolventen der Informatikmittelschule. Alles in allem bieten wir jährlich zwischen 22 und 28 ICT-Ausbildungsplätze an.
Nehmen wir an, ich bin ein Schulabgänger und suche eine IT-Lehrstelle: Warum sollte ich meine Lehre bei der ZKB absolvieren?
Es gibt zu viele Vorteile, um jetzt alle aufzuzählen! (lacht)
Dann beschränken wir uns doch auf die Wichtigsten.
Erstens: Ein guter Lehrstart. Eine Lehre beginnt bei uns für die meisten ICT-Berufe in der internen IT-Academy. Dort vermitteln wir ein Jahr lang Fach- und Methodenkompetenz, arbeiten mit den Jugendlichen aber auch an ihrer Sozial- und Selbstkompetenz. Sie gehen gemeinsam in verschiedene Lernendenlager und schnuppern bei mehreren Einsätzen bereits Arbeitsluft.
Zweitens: Viel Abwechslung. Die Lernenden erhalten Einblick in verschiedene Abteilungen und Teams. Es ist uns zudem wichtig, dass sie auch ausserhalb der fachlichen Informatikthemen Impulse erhalten, daher ist unsere Ausbildungsreise sehr divers.
Drittens: Umfassende Betreuung. Die Ausbildung erfolgt einerseits durch Praxisausbildende in den jeweiligen Teams, andererseits durch uns Berufsbildende aus der Informatik. Wie bei allen Mitarbeitenden stehen ihnen Betreuungspersonen aus dem HR zur Seite. Zusätzlich – und das schätzen viele Lernenden – haben sie jeweils einen Mentor oder eine Mentorin, der oder die sie während der ganzen Lehre als unabhängiger Coach begleitet und als Fachperson Impulse und Netzwerk weitergeben kann.
Und viertens: Unsere Unternehmenskultur. Der Umgang untereinander ist wertschätzend und auf Augenhöhe. Was viele Jugendliche besonders freut: Wir haben eine Du-Kultur, die zur familiären Atmosphäre bei uns beiträgt.