Berufliche Veränderung: So gelingt der erste Schritt
Die meisten von uns haben ihren ersten Beruf bereits in der Schulzeit oder kurz danach gewählt – häufig beeinflusst durch Eltern, Lehrer, Freunde oder gesellschaftliche Erwartungen. Doch dann: Werte verschieben sich, Interessen entwickeln sich weiter, und plötzlich stellen sich die Fragen: War das wirklich die richtige Wahl? Gibt es eine Tätigkeit, die besser zu mir passt? Daniela Späni, Spezialistin für Personalentwicklung und Transformation bei der Zürcher Kantonalbank, erklärt, warum berufliche Neuorientierung völlig normal ist – und wie sie gelingt.
Text: Mirjam Arn / Bilder: Simon Baumann

Daniela, viele Menschen stellen sich nach einigen Jahren im Berufsleben die Frage: Bleiben oder einen Schnitt wagen? Wie finde ich heraus, was ich wirklich will?
Daniela Späni: Die Wahl des Jobs wird nicht nur von individuellen Bedürfnissen, sondern auch von äusseren Rahmenbedingungen beeinflusst. Ein hilfreiches Modell zur Unterscheidung ist die Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg. Er differenziert zwischen Hygienefaktoren und Motivatoren. Zu ersteren gehören Faktoren wie Gehalt, Jobsicherheit, Arbeitsbedingungen und Unternehmenspolitik – sie verhindern zwar Unzufriedenheit, führen aber nicht zwangsläufig zu mehr Zufriedenheit oder Motivation. Hingegen wird beides durch Motivatoren wie Anerkennung, Verantwortung, Sinnhaftigkeit und Entwicklungsmöglichkeiten aktiv gesteigert. Viele Menschen achten bei der Jobwahl vor allem auf Hygienefaktoren, um ein stabiles Fundament zu haben. Doch langfristige Zufriedenheit entsteht häufig erst durch Motivatoren.
Und wenn ich nicht genau weiss, was mich motiviert?
Selbstreflexion! Welche Aspekte meines Berufs haben mich bisher erfüllt – und welche eher belastet? Auch die Motivtheorie von McClelland kann helfen. Darin werden drei grundlegende Motive unterschieden: Leistung, Macht und soziale Anschlussmotive. Gemäss Theorie besetzt jeder Mensch eine individuelle Ausprägung dieser Motive; keines tritt in Reinform auf:
- Leistungsmotivierte Menschen suchen Herausforderungen, messen Erfolg an Ergebnissen.
- Machtmotivierte Menschen möchten gestalten, Verantwortung übernehmen, Einfluss nehmen.
- Sozial motivierte Menschen brauchen Austausch, Teamarbeit, Sinnhaftigkeit.
Die Suche nach mehr Sinnhaftigkeit im Beruf wird immer wieder aufs Neue diskutiert. Welche Rolle spielt Sinnhaftigkeit denn nun in der Jobwahl?
Daniela Späni: Während Arbeit über Jahrhunderte vor allem dem Lebensunterhalt diente, rückt heute vermehrt die Frage in den Vordergrund: Bringt meine Tätigkeit einen Mehrwert? Dabei sollte jedoch beachten werden, dass Sinn nicht ausschliesslich im Beruf gefunden werden muss. Studien zeigen, dass beispielsweise soziale Beziehungen einen wesentlichen Beitrag zum persönlichen Lebenssinn leisten. Menschen, deren Zufriedenheit also eng mit ihren sozialen Kontakten verbunden ist, neigen eher dazu, ihr Leben als sinnvoll zu betrachten. Ein zu hoher Sinnanspruch an die Erwerbstätigkeit kann sogar zu Frustration oder Burn-out führen.
Kannst du dies bitte weiter ausführen?
Daniela Späni: Wer in seiner Arbeit einen tiefen Sinn sucht, setzt sich manchmal selbst unter grossen Druck, ständige Erfüllung und Bedeutung zu finden. Diese hohen Erwartungen sind schwer dauerhaft zu erfüllen. Wenn die eigene Identität zudem stark mit der Arbeit verknüpft ist, kann dies dazu führen, dass Misserfolge oder Herausforderungen bei der Arbeit als persönliche Misserfolge empfunden werden. Oft ist eine solche Person auch bereit, über die persönlichen Grenzen hinauszugehen – und sie brennt dann eben aus.
Doch Sinn in der Arbeit zu suchen, bleibt grundsätzlich schon ein sinnvolles Bestreben?
Daniela Späni: Auf jeden Fall! Wer in seiner Tätigkeit keinen Sinn erkennt, ist nachweislich unzufriedener und hat mehr Fehlzeiten. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass Sinn ein zutiefst persönliches Konstrukt ist. Was für die eine Person erfüllend ist, kann für eine andere völlig irrelevant sein. Jede und jeder von uns definiert Sinn oder Sinnhaftigkeit anders. Gemäss dem Arbeitspsychologen Theo Wehner ist Sinn nichts, was Dingen innewohnt, sondern etwas, das aktiv generiert wird.
Wie also finde ich heraus, worin ich persönlich Sinn sehe?
Daniela Späni: Sinn entsteht oft an der Schnittstelle zwischen persönlichen Werten, Talenten und dem, was der Welt nützt. Wir sollten uns fragen: Wann fühle ich mich erfüllt? Welche Tätigkeiten begeistern mich? Was gibt mir Energie? Auch Feedback von anderen, oder der Rückblick auf Prägendes, helfen dabei, den eigenen Sinn zu erkennen. Es ist also ein Prozess aus Reflexion, Ausprobieren und Anpassung. Häufig entsteht Sinnhaftigkeit im Job auch durch eine Übereinstimmung zwischen persönlichen Werten und Unternehmenswerten.
Bei der Jobwahl geht es primär darum, eine Entscheidung zu treffen. Warum fällt sie uns häufig so schwer?
Daniela Späni: Oft ist das Ziel nicht klar – ich möchte zwar den alten Job hinter mir lassen, aber wohin soll es gehen? Manchmal erscheint eine Entscheidung so endgültig und schwerwiegend, dass sie erdrückend wirkt. Hinzu kommt der Anspruch, eine perfekte Wahl treffen zu wollen, die ein Leben lang hält. Doch können wir eigentlich immer nur für den Moment entscheiden und nicht alle Eventualitäten vorwegnehmen.
Und wie entscheide ich also am Ende, welcher Job wirklich passt?
Daniela Späni: Erstelle eine Liste mit Vor- und Nachteilen für jede Joboption. Berücksichtige dabei Faktoren wie Jobinhalt, Arbeitszeit, Entwicklungsmöglichkeiten und Unternehmenskultur. Identifiziere Nachteile, die du keinesfalls in Kauf nehmen willst, und leite daraus notwendige Bedingungen ab. Auch eine Laufbahnberatung kann Impulse liefern. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass persönliche Unterstützung durch eine Beraterin oder einen Berater einen wichtigen Einfluss darauf haben kann, ob Menschen mit ihrer Jobentscheidung oder ihrem Karriereweg zufrieden sind. Und wenn du merkst, dass die Entscheidungsfindung stagniert und du zudem viele Gründe findest, warum jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für einen Jobwechsel ist, solltest du das Thema vorerst beiseitelegen. Definiere lieber einen Zeitpunkt in der Zukunft – das können durchaus auch ein bis zwei Jahre sein – an dem du dich wieder damit beschäftigen willst.
Tipps, um den richtigen Job zu finden:
Tipps, um den richtigen Job zu finden:
Was interessiert mich?
Mit einer groben Vorstellung deiner Interessensgebiete kannst du dich mit anderen austauschen und deine Ideen weiterentwickeln. Selbsttests und Fragebögen sind beliebt, aber das Angebot häufig unübersichtlich. Nutze daher unbedingt wissenschaftlich fundierte Instrumente wie das RIASEC-Modell von Holland. So kannst du Klarheit gewinnen und möglicherweise neue Blickwinkel einnehmen. Beachte aber: Diese Tests können wertvolle Hinweise geben, erfassen jedoch nicht die ganze Bandbreite deiner Persönlichkeit und Interessen – und die Ergebnisse sind oft wenig überraschend.
Selbstreflexion
Sich in Ruhe hinzusetzen und über die eigenen Vorstellungen, Stärken und Interessen nachzudenken, ist ein wertvoller Schritt zur Selbstreflexion. Überlege dir, welche Fähigkeiten du besitzt und welche Werte dir im Leben wichtig sind. Diese bewusste Auseinandersetzung führt oft zu tieferen Erkenntnissen und ist meist sogar zielführender als das blosse Ausfüllen eines Selbsttests. Die Kunst der Entscheidungsfindung liegt häufig darin, die richtigen Fragen zu stellen.
Iterativ herangehen
Nach der Methode des geplanten Zufalls, entwickelt vom Psychologen John Krumbolz von der Stanford University, ist die Berufswahl ein Weg voller glücklicher Zufälle und ungeplanter Begegnungen. Dabei ist es wichtig, nicht einfach abzuwarten, sondern aktiv zu werden, um die Zahl der Zufälle zu erhöhen, die dem Leben entscheidende Wendungen geben können. Wie? Nimm an Infoveranstaltungen teil, hol dir Unterstützung und Anregung von Personen, die in der Branche arbeiten oder bereits entsprechende Erfahrungen gesammelt haben. Nutze zum Beispiel auch LinkedIn-Netzwerke, um noch mehr Personen zu erreichen. Jeder Schritt bringt dich mit mehr Menschen und Möglichkeiten zusammen. Begib dich auf eine Art zielgerichtete Entdeckung, um herauszufinden, was du tun möchtest.
Neugierig und offen sein
Leidenschaft entsteht meist erst nach dem Ausprobieren und Erkennen, dass einem etwas gefällt, etwas gut gelingt. Probiere deshalb Dinge im Kleinen aus, z.B. durch freiwilliges Engagement. Oder nutze Praktika und Schnuppermöglichkeiten, um Einblicke in die tägliche Arbeit zu bekommen.
Setze auf die Magie der kleinen Schritte
Du hast deine Ideenliste zusammengestellt? Gut, nimm dir aber lieber erstmal nur wenige Dinge vor und setz diese um. Und da der erste Schritt oft der schwerste ist, solltest du möglichst bald beginnen – idealerweise innert einer 3-Tages-Frist.