Diversity in der IT: Weniger Recruiting, mehr Reskilling und Upskilling
In den letzten Jahren hat sich der Fachkräftemangel in der IT kontinuierlich verschärft. Pranvera Dzila, verantwortlich für das Employer Branding der IT bei der Zürcher Kantonalbank, und Amir Reshef, Rekrutierungsspezialist bei der Zürcher Kantonalbank, diskutieren die Entwicklungen und Herausforderungen im IT-Arbeitsmarkt, insbesondere im Hinblick auf die Förderung von Vielfalt.
Interview: Mirjam Arn
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Der Fachkräftemangel in der IT hat sich in den letzten Jahren immer weiter zugespitzt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Pranvera Dzila: Über alle Branchen hinweg fehlen in der Schweiz nach wie vor rund 31'000 IT-Spezialistinnen und -Spezialisten. Mit der zunehmenden Digitalisierung werden Unternehmen noch stärker IT-Fachkräfte benötigen, beispielsweise um die technologischen Entwicklungen weiter voranzutreiben oder die Cybersicherheit zu gewährleisten.
Könnte eine gezielte Ansprache junger Frauen dazu beitragen, die Nachfrage in diesem Bereich besser zu decken?
Amir Reshef: Gemäss dem Bundesamt für Statistik lag der schweizweite Frauenanteil in der IT im Jahr 2021 bei gerade einmal 16.3 Prozent – da besteht also noch Luft nach oben. Ein höherer Frauenanteil allein wird den Fachkräftemangel aber nicht vollständig lösen. Es gibt auch andere Faktoren, die den Arbeitsmarkt beeinflussen und helfen, die erhöhte Nachfrage abzufangen, wie zum Beispiel technologische Entwicklungen, wirtschaftliche Bedingungen und die Bildungspolitik. Die Förderung von Frauen in der IT ist jedoch eine wichtige Massnahme, um die Vielfalt zu stärken und den Sektor für mehr Talente attraktiver zu gestalten.
Wo sehen Sie Chancen, die noch nicht ausreichend genutzt werden, um Frauen stärker für die IT-Welt zu begeistern?
Pranvera Dzila: Nach wie vor unabdingbar ist eine gezielte, frühzeitige Förderung von Mädchen und jungen Frauen in Schulen und Universitäten, um ihr Interesse an den MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu wecken und zu stärken. Wir müssen generell mehr geschlechtsunabhängige Ausbildungsplätze und Einstiegsmöglichkeiten schaffen. Bei uns in der Zürcher Kantonalbank können junge Menschen nach der Mittelschule mit dem Programm «IT-Way-up» in die Applikationsentwicklung einsteigen und innert zwei Jahren das Eidgenössische Fähigkeitszeugnis erlangen oder nach der Informatikmittelschule während eines einjährigen IMS-Praktikums ihre Programmierkenntnisse direkt in der Praxis anwenden. Seit 2023 bieten wir zudem neben KV, Mediamatik und IT als eine der ersten Banken neu die ICT-Lehre «Entwicklerin / Entwickler digitales Business EFZ» an. Aber selbst, wenn schweizweit die Anzahl an Ausbildungsplätzen im IT-Sektor steigt, benötigen wir weitere Massnahmen, um den Bedarf zu decken.
Was also muss passieren?
Amir Reshef: Häufig konzentriert man sich sofort auf das Recruiting, um die benötigten Ressourcen und Fähigkeiten auf dem externen Markt zu finden, beispielsweise durch gezielte Ansprachen von passiv suchenden Kandidatinnen und Kandidaten. Eine nicht zu unterschätzende Massnahme sind jedoch Umschulungen – und damit verbunden ein Reskilling und Upskilling von bestehenden Mitarbeitenden. Wir benötigen also nicht nur mehr Einstiegsstellen für Junge, sondern werden auch den IT-Sektor für talentierte Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger öffnen.
Welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften braucht es, um Spass an der IT zu haben?
Pranvera Dzila: Kreativität, technisches Fachwissen und Problemlösungskompetenz sind wichtige Fähigkeiten. Es braucht aber noch mehr, denn die Branche befindet sich in stetigem Wandel. Eine gesunde Neugierde und grosse Lernbereitschaft sind deshalb unabdingbar, genauso wie Teamfähigkeit, denn im dynamischen IT-Umfeld ist nur erfolgreich, wer die Schwarmintelligenz zu nutzen weiss. All dies sind Eigenschaften und Fähigkeiten, die nicht einem spezifischen Geschlecht zuzuschreiben sind. Die IT-Branche hat sich seit ihren Anfängen stark verändert. Statt im stillen Kämmerlein zu arbeiten, stehen heute eben Teamwork und Kreativität im Vordergrund. Das spricht auch Frauen vermehrt an und ermöglicht dadurch eine vielfältigere und inklusivere Branche.
Welche konkreten Massnahmen ergreift die Zürcher Kantonalbank, um die Diversität in den Teams zu erhöhen?
Amir Reshef: Wir fördern ein Arbeitsumfeld, dass geschlechtsspezifische Vorurteile und Stereotypen abbaut und gleiche Chancen bietet – und zwar für alle. Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sind uns wichtig – ebenso eine breite Vielfalt, die über das Geschlecht hinausgeht. Wir leben eine inklusive Kultur, die Menschen unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrem Alter, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Beeinträchtigung oder anderen Merkmalen willkommen heisst.
Welche Rolle spielen Unterstützungsangebote?
Pranvera Dzila: Mit verschiedenen Initiativen bieten wir Frauen die Möglichkeit, ihre berufliche Weiterentwicklung aktiver zu gestalten. Unser Engagement geht jedoch weit über Frauenförderung hinaus und zeigt sich in zahlreichen Mitgliedschaften und Kooperationen sowie internen Netzwerken. Darüber hinaus stellen wir uns als Arbeitgeberin an Messen und Events vor und bieten Praktikums- sowie Mentoring-Programme an, um Kandidatinnen und Kandidaten den Einstieg in die IT zu erleichtern.
Wie überprüfen Sie den Erfolg der Massnahmen?
Amir Reshef: Wir analysieren zum Beispiel den Anteil von Frauen und anderen unterrepräsentierten Gruppen bei den Bewerbungen, Neueinstellungen und in bestehenden Teams. Zudem führen wir regelmässig Umfragen zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden in der Bank durch. Die gewonnenen Erkenntnisse sind die Basis auf der wir Strategien und Massnahmen entwickeln und damit sicherstellen, dass wir auf dem richtigen Weg bleiben.
Was sind die Herausforderungen, wenn es darum geht, ein vielfältiges Team zu rekrutieren?
Amir Reshef: Es kann schwierig sein, einen ausgewogenen und vielfältigen Pool an Kandidatinnen und Kandidaten zu haben, insbesondere wenn traditionelle Rekrutierungsmethoden verwendet werden. Wir fördern aktiv die Vielfalt in unseren Rekrutierungsprozessen, indem wir sicherstellen, dass wir mit unseren Stellenanzeigen alle ansprechen und dass unser Bewerbungsprozess fair ist. Das bedeutet, dass Bewerberinnen und Bewerber unabhängig von ihrem Hintergrund gleiche Chancen haben. Damit dies gelingt, braucht es Mitarbeitende, die sich der Bedeutung von Vielfalt und Inklusion bewusst sind.
Welchen Mehrwert bieten diverse Teams?
Pranvera Dzila: Als Unternehmen können wir nur dann erfolgreich sein, wenn wir offen für verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Perspektiven und Meinungen sind. Diverse Teams wirken sich positiv auf die Kreativität und Innovationsfähigkeit aus. Verschiedene Hintergründe und Erfahrungen führen häufig auch zu einer grösseren Bandbreite an Lösungsansätzen.
Was unternimmt die Zürcher Kantonalbank, damit mehr junge Menschen – insbesondere auch Frauen – den Weg in die IT finden?
Pranvera Dzila: Wir arbeiten tagtäglich daran, unsere #ITmadeInChreis5 der Zürcher Kantonalbank noch bekannter zu machen. Dazu bieten wir die Möglichkeit, den Berufsalltag in der IT aus erster Hand zu erleben und geben Einblicke – sei dies an Universitäten, Jobmessen, durch Praktika oder regelmässige Beiträge auf Social Media. Auch kommunizieren wir klar die Vorteile einer Karriere in der IT: Entwicklungsperspektiven, flexible Arbeitsmodelle mit viel Selbstverantwortung, das Entwickeln kreativer Lösungen in interdisziplinären Teams und ein attraktives Gesamtpaket. Die breite Palette an Spezialisierungsbereichen ermöglicht zudem individuelle Karrierepfade. Zudem machen wir weibliche Vorbilder sichtbar. Indem wir deren Erfolgsgeschichten und Karrierewege teilen, ermutigen wir junge Frauen, sich in Bereiche hineinzuwagen, die nicht typisch weiblich sind.