«Begeisterung benötigt kein Entertainment, sondern Identifikation»

Was macht ein Team erfolgreich? Bernhard Heusler, ehemaliger Präsident des FC Basel, muss es wissen. Unter seiner Führung gewann der Club acht Meistertitel in Serie. Im Interview spricht er über kollegiale Führung, die Bedeutung von Selbstreflektion und wie KMU ihre Kundinnen und Kunden begeistern können. Das Thema «Mehr Begeisterung!» steht im kommenden Jahr im Fokus der Initiative «KMU ZH» der Zürcher Kantonalbank.

Text: Andreas Dürrenberger / Bilder: Christian Grund

Bernhard Heusler an der KMU ZH Night mit Moderatorin Sonja Hasler.

Bernhard Heusler, was ist ihre prägendste Erinnerung an ihre Zeit beim FC Basel?

Darauf eine einigermassen kurze Antwort zu geben, ist für mich fast unmöglich. (denkt kurz nach) Es war eine unvergesslich schöne, aber auch unvergesslich anspruchsvolle Zeit. Die Leitung des Clubs war einerseits mein Beruf, den ich versucht habe, möglichst rational auszuüben. Andererseits weckt der FCB enorm viele Emotionen bei mir als Fan dieses Clubs - Beruf und Emotionen haben sich immer überlagert. Prägend waren für mich zudem die vielen Menschen, denen ich begegnet bin, und die vielen Erlebnisse, die mich tief berührt haben.

Für mich gibt es einen Moment mit Ihnen, der mir persönlich besonders in Erinnerung geblieben ist: Sonntag, 18. Mai 2014, das letzte Heimspiel der Saison, das Joggeli ausverkauft, die Pokalübergabe stand bevor. (Anm. der Redaktion: Der FCB hatte sich drei Tage zuvor mit einem Sieg in Aarau den Meistertitel gesichert, nach dem Spiel griffen einige Chaoten die Fans des FC Aarau an). Sie haben unmittelbar vor dem Anpfiff, umgeben vom ganzen FCB-Staff, im Mittelkreis eine Ansprache gehalten. Darin haben Sie die Gewalt im Fussball, aber auch den medialen Umgang damit, verurteilt: «Mir wänn das nid!», sagten sie damals. Wie erinnern Sie sich an diesen Tag?

Als Privatperson ist mir die Konfirmation meines Sohnes an diesem Sonntag noch gut in Erinnerung. Wir haben in einem Landgasthof gefeiert und ich habe vor meiner Familie eine kleine Rede gehalten. Dort war ich nervöser als vor der Ansprache im Stadion. (lacht) Die Idee dazu hatten wir – die Führungscrew des FCB – erst kurz vor dem Spiel in der Garderobe. Es wurde im Nachhinein viel in diese Rede hineininterpretiert: War sie eine Brandrede, eine Medienschelte oder eine Distanzierung von den Fans? Nein! Was ich gesagt habe, war einfach die Meinung des ganzen Clubs und ich war das Sprachrohr. Wir wollten in aller Klarheit sagen, wofür wir als Club stehen. Dieser Moment war nicht inszeniert, sondern völlig authentisch und aus uns allen gewachsen. Die Reaktionen von Fans aller Couleur, aber auch von Spielern, haben uns gezeigt, dass der Entscheid, diese Rede zu halten, richtig war.

Als Präsident eines Fussballclubs waren Sie öffentlich exponiert und mussten, bei allen Erfolgen, auch Kritik einstecken. Was hat Sie in Zeiten von Rückschlägen und Herausforderungen motiviert?

Das Fussballgeschäft ist emotional, man wird als Präsident eines Clubs für viele Entscheidungen kritisiert, manchmal auch beschimpft oder bedroht. Gestärkt und motiviert hat mich immer, dass ich Menschen um mich hatte, die mit mir zusammen diese Entscheidungen gefällt haben. Ich habe mein Team in der Clubführung immer miteinbezogen. Mir ist «Team-based Leadership» mit kollegialen Führungsstrukturen und der Einbezug von verschiedenen Typen und Sichtweisen sehr wichtig. Wir haben uns gegenseitig bedingungslos Rückendeckung gegeben – sie mir und ich ihnen. Das hat uns den Umgang mit Kritik erleichtert – wenn es zum Beispiel um einen Trainerwechsel ging, den wir für die Weiterentwicklung des Clubs als nötig erachteten. Ebenfalls hilfreich war natürlich der Erfolg, der sich danach eingestellt hat, das will ich nicht verschweigen. (lacht) Dieser Erfolg war aber nicht mir zu verdanken, sondern dem Team. Man ist als Führungsperson immer abhängig vom Team. Im Fussball wird das besonders deutlich. Man hat nicht alles in der eigenen Hand: Ob wir gewonnen haben oder auch mal verloren, meinen Job als Präsident habe ich gleich ausgeübt. Nicht alles beeinflussen zu können, lehrt einen eine gewisse Demut. Wichtig ist, dass man die richtigen Rahmenbedingungen setzt, in dem das Team sich entwickeln und erfolgreich sein kann. Das gilt im Fussball und in der Wirtschaft. Denn: «Leadership is not about being the best, it's about making others better».

Wie wichtig ist für Sie Selbstreflektion für den langfristigen Erfolg?

Je länger ich selbst reflektiere (schmunzelt), mit zunehmender Erfahrung und steigendem Alter, desto bedeutender wird für mich die Fähigkeit zur Selbstreflektion. Sie ist absolut zentral, wenn man als Mensch Höchstleistungen erbringen will, aber auch andere motivieren und inspirieren möchte. Nur wenn man sich selbst erkennt, mit allen Stärken und Schwächen, kann man als Führungskraft auch die Stärken in anderen Menschen erkennen und sie bei ihrer Weiterentwicklung unterstützen. Natürlich ist fachliche Kompetenz wichtig. Aber wenn der erfolgreichste Verkaufsberater zum Teamleiter wird, benötigt er andere Fähigkeiten für die Führung eines Teams als zuvor im Verkauf. Das muss man erkennen können und bereit sein, an sich zu arbeiten.

Welches sind für Sie die Schlüsselfaktoren, um als Team Erfolg zu haben?

Es gibt viele Faktoren, die den Erfolg eines Teams beeinflussen. In meinem Buch nenne ich 30 Herausforderungen, denen Führungskräfte begegnen. Drei davon sind Zielorientierung, Kooperationsbereitschaft und Bewusstsein – ZKB. (lacht) Bei der Zielorientierung geht es unter anderem darum, auf die eigenen Mittel und Ziele zu fokussieren. Was steht uns zur Verfügung, um unser Ziel zu erreichen? Es bringt nichts, sich ständig mit anderen zu vergleichen. Ein wichtiges Element der Kooperationsbereitschaft ist die Kommunikation auf Augenhöhe. Man muss als Führungskraft gewillt sein, zuzuhören und zu verstehen. Darum geht es bei Team-based Leadership, denn aus der gelebten Kollegialität kann ein starkes Gemeinschaftsgefühl entstehen. Und Bewusstsein heisst für mich, sich in der Führung von Menschen der Verantwortung bewusst sein, die man für diese Menschen hat. Die Selbstreflektion, die Auseinandersetzung mit sich selbst, hat darauf einen grossen Einfluss.

Im Fussball spielt die Begeisterung der Fans eine grosse Rolle. Auch in der Wirtschaft ist oft die Rede davon, man müsse seine Kundinnen und Kunden begeistern. Wie kann das gelingen?

Ich denke, man muss realistisch sein in der eigenen Zielsetzung. Wenn ich als Anwalt ins Büro komme, weiss ich, dass meine Rechtsschriften keine Begeisterungsstürme auslösen werden. Im Gegensatz zum Fussballer, wenn er seinen Arbeitsplatz betritt. Fussball ist, wie vieles heute, Entertainment! Natürlich möchten auch Unternehmen ein Stück vom Entertainmentkuchen abhaben. Aber nachhaltige Kundenbeziehungen entstehen doch dann, wenn ich mich als Kunde mit den Menschen, die das Unternehmen nach aussen verkörpern, identifizieren kann. Wenn ich langfristig mit ihnen zu tun habe, zum Beispiel mit der Kundenberaterin oder dem Aussendienstmitarbeiter. Das gilt übrigens auch bei Fussballern – wenn sie langfristig bei einem Klub spielen, ist die Identifikation höher. Die Mitarbeitenden sollen Stolz verspüren, dass sie das Unternehmen repräsentieren. Beim FCB war es uns immer wichtig, dass wir die Mitarbeitenden begeistern konnten für ihre Arbeit beim Club – vom Spieler bis zum Team auf der Geschäftsstelle. Diese Begeisterung tragen sie dann auch nach aussen. Es geht bei Begeisterung also weniger um Entertainment, sondern vielmehr um Identifikation.

Mehr Begeisterung!

Die Studie «KMU ZH Monitor» der ZKB hat es erneut aufgezeigt: Die fehlenden Arbeitskräfte steht für viele kleine und mittlere Unternehmen nach wie vor zuoberst auf dem Sorgenbarometer. Die Rekrutierung neuer Fachkräfte ist eine grosse Herausforderung. Umso wichtiger ist es, die bestehenden Mitarbeitenden im Unternehmen halten und weiterentwickeln zu können. Zugleich stellt sich rund ein Drittel der befragten KMU die Frage, wie sie Kundinnen und Kunden noch besser für ihre Produkte und Dienstleistungen begeistern können.

Die Zürcher Kantonalbank rückt diese beiden Themen in den Fokus ihrer Initiative «KMU ZH», mit der die Bank KMU weiter stärken möchte. So steht das kommende Jahr ganz im Zeichen von «Mehr Begeisterung!». Denn begeisterte Mitarbeiter sind nicht nur langfristig bei einem Unternehmen tätig, sie sind auch der Schlüssel zu mehr Kundenbegeisterung. Mit Praxisseminaren, Netzwerkanlässen und informativen Beiträgen möchte die ZKB den KMU praxisnahes Wissen und die richtigen Werkzeuge zur Verfügung stellen, um diese Begeisterung möglich zu machen.

Stimmungsvolle «KMU ZH Night»

Vorgestellt wurde das neue Jahresthema anlässlich der «KMU ZH Night». Jürg Bühlmann, Leiter Firmenkunden bei der ZKB, hiess über 300 Unternehmerinnen und Unternehmen im Zürcher Kaufleuten willkommen. Moderatorin Sonja Hasler führte gekonnt durch das Programm und begrüsste auf der Bühne prominente Gäste. Bernhard Heusler lieferte einen spannenden Einblick in seine Zeit als Präsident des FC Basel und welche Erkenntnisse er dabei zum Thema Leadership gewonnen hat. Im Anschluss nahm Unternehmer Peter Spuhler auf der Bühne Platz und stellte sich den Fragen von Sonja Hasler. Beim abschliessenden Apéro riche bot sich Gelegenheit zum Networking und Austausch auch mit den prominenten Gästen.