Unverheiratete erhalten mit dem neuen Erbrecht mehr Möglichkeiten
Nicht verheiratete Paare können punkto Erbe bald freier verfügen: Dies regelt das revidierte Erbrecht, das am 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Corinne Peier Müller, Erbschaftsberaterin bei der Zürcher Kantonalbank, gibt Tipps, wie der neu gewonnene Gestaltungsspielraum zu nutzen ist.
Text: Ina Gammerdinger
Die derzeitige Erbrechtssituation von kinderlosen Paaren im Konkubinat begünstigt noch die Eltern. Zur Veranschaulichung: Das nicht verheiratete Paar lebt im eigenen Haus, das einem Partner im Alleineigentum gehört und den Grossteil des Vermögens ausmacht. Beide erstellen kein Testament. Stirbt jener Konkubinatspartner, dem die Immobilie gehört, wird das gesamte Vermögen an die überlebenden Eltern der verstorbenen Person vererbt. Die Konkubinatspartnerin beziehungsweise der Konkubinatspartner geht leer aus und muss im schlimmsten Fall aus dem Haus ausziehen – ein doppelter Verlust.
Auch mit einem Testament ist die Lage für den Hinterbliebenen heute nicht befriedigend: Vom gesetzlichen Erbanspruch steht den Eltern nach geltendem Recht die Hälfte zu. Das heisst, dem überlebenden Konkubinatspartner kann maximal die Hälfte des Nachlasses zugewiesen werden.
Neu verbessert sich die Situation für nicht verheiratete Paare: Die kinderlosen Konkubinatspartner können einander testamentarisch ihr gesamtes Vermögen vererben, die überlebenden Eltern haben keinen Anspruch mehr auf einen Pflichtteil.
Die Erbschaftssteuern für Konkubinatspartner können je nach Kanton und Vermögenshöhe sehr hoch ausfallen und erfahren mit der Erbrechtsrevision keine Veränderung. Es lohnt sich, diese in die eigene Erbrechtsplanung miteinzubeziehen.
Aufhebung des Pflichtteils der Eltern
Bei Konkubinatspaaren mit gemeinsamen Nachkommen reduziert sich der Pflichtteil
Bestehende Testamente und Erbverträge überprüfen
Bestehende Testamente und Erbverträge bleiben unverändert gültig. Es ist deshalb ratsam, die darin getroffenen Verfügungen im Hinblick auf das Inkrafttreten des neuen Rechts zu überprüfen und gegebenenfalls frühzeitig anzupassen. Eine Überprüfung macht mit und ohne (gemeinsame) Nachkommen Sinn. Wenn es sich um eine Patchwork-Situation handelt, werden die erbrechtlichen Vorkehrungen komplexer – hier ist eine persönliche Beratung besonders empfehlenswert.
Sie wünschen eine individuelle Überprüfung Ihres Testaments? Nehmen Sie unsere Dienstleistung «Testament-Check» in Anspruch. Unsere Erbrechtsspezialisten kontrollieren hierbei, ob das Testament formgültig ist und die getroffenen Anordnungen auch mit Blick auf das neue Erbrecht klar und verständlich abgefasst sind und Ihrem letzten Willen entsprechen.
Sie möchten Ihr Testament generell überarbeiten, dann nutzen Sie unsere Dienstleistung «Güter- und erbrechtliche Beratung». Bei weiteren Fragen dazu, wenden Sie sich bitte an Ihre Kundenbetreuerin oder Ihren Kundenbetreuer.
Noch ein Tipp: Sorgen Sie rechtzeitig vor. Mit einem Testament sichern Sie Ihre Partnerin oder Ihren Partner ab.
Klarstellung zur Verbesserung der Rechtssicherheit
Säule-3a-Bankguthaben sind nicht Teil der Erbmasse, sondern werden direkt an die vorsorgerechtlich Begünstigten ausbezahlt. Für die Berechnung der Pflichtteile werden solche Guthaben jedoch zum Nachlass hinzugerechnet.
Das geltende Recht sieht vor, dass nach Abschluss eines Erbvertrages die Parteien zu Lebzeiten grundsätzlich frei über ihr Vermögen verfügen können. Das heisst, Schenkungen, die nach Abschluss eines Erbvertrages an Dritte ausgerichtet werden, sind grundsätzlich zulässig. Neu sind Schenkungen, die über Gelegenheitsgeschenke hinausgehen, nach Abschluss eines Erbvertrags anfechtbar. Es sei denn, der Erbvertrag erlaubt solche Schenkungen explizit.
Tipp: Der Gestaltungsspielraum wird zwar grösser, muss aber aktiv genutzt werden. Wird keine Regelung getroffen, kommen die gesetzlichen Bestimmungen zum Zuge. Diese bleiben auch nach der Erbrechtsrevision unverändert.
Die Änderungen im Erbrecht 2023 auf einen Blick
- 1 Der Pflichtteil von Nachkommen wird kleiner.
- 2 Die Pflichtteile der Eltern verschwinden ganz.
- 3 Durch die Verkleinerung beziehungsweise den Wegfall der Pflichtteile wird die frei verfügbare Quote grösser und entsprechend der Gestaltungsspielraum.
- 4 Neu kann der Lebenssituation von Konkubinatspaaren, Patchwork-Familien, Stiefkindern etc. besser Rechnung getragen werden.