Bewerbungen – wann Algorithmen Sinn machen

Manch ein Unternehmen sortiert Bewerbungen durch den Einsatz von Software aus. Mitunter wird diese auch eingesetzt, um automatisch abzusagen. Marcus Fischer, Leiter Talentgewinnung & Rekrutierung, erklärt, warum bei der Zürcher Kantonalbank Menschen rekrutieren und keine Maschinen – und wie Algorithmen zum eigenen Vorteil genutzt werden können.

Text: Ina Gammerdinger

Marcus Fischer, Leiter Talentgewinnung und Recrutierung bei der Zürcher Kantonalbank
Für Marcus Fischer, Leiter Talentgewinnung und Rekrutierung bei der Zürcher Kantonalbank, steht Individualität im Bewerbungsprozess an erster Stelle. (Bild: Simon Baumann)

Wie funktionieren moderne Rekrutierungsprogramme?

Das zeitaufwendige Eintippen der Bewerbungsinformationen entfällt. Das erledigt die Software, indem sie relevante Informationen aus einem Lebenslauf, der in ein solches Programm geladen wird, automatisch erkennt und ausliest. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) und Algorithmen werden die Bewerbungen durch die Software analysiert und können dann fast in Echtzeit mit dem Stellenprofil abgeglichen werden. Theoretisch könnte die Software sogleich die Absage übernehmen. In der Praxis kommt es dazu aber eher selten; meistens geschieht es nur bei Jobs mit einfachen Anforderungsprofilen beziehungsweise klar definierten Auswahlkriterien.

Maschinen stellen also keine Menschen ein beziehungsweise übernehmen eher nicht die Absage?

In den USA zum Beispiel werden auch Absagen oftmals automatisiert verschickt. Der Computer übernimmt die Rekrutierung beinahe komplett. In der Schweiz werden solche Software-Lösungen aber zurückhaltend eingesetzt. Bei der Zürcher Kantonalbank wird niemandem durch den Computer abgesagt, jede Bewerbung wird von Menschen geprüft. Gute Profile sind oftmals nicht einfach zu erkennen. Hier hilft die Erfahrung unserer Recruiterinnen und Recruiter.

Die meisten Talente möchten sich mit ihrem nächsten Karriereschritt weiterentwickeln. Entsprechend muss im Recruiting eine Einschätzung erfolgen, ob die zu besetzende Stelle ein passender nächster Schritt ist. Hier kommen Algorithmen noch an ihre Grenzen. Menschliche Recruiterinnen und Recruiter nehmen auch sehr viele Informationen und Eindrücke jenseits der eigentlichen Job- oder Aufgabenbeschreibung auf. Sie stellen sicher, dass das Talent auch ein «cultural fit» ist und entsprechend von der Persönlichkeit zum Unternehmen und Team passt. Zwar gibt es auch dafür Software-Programme, aber letztlich ist die menschliche Einschätzung hier von zentraler Bedeutung – zumindest bei der Zürcher Kantonalbank.

Können Algorithmen überlistet werden?

Nicht wirklich. Aber umso besser der Inhalt des Lebenslaufs aufbereitet ist, umso eher ist es wahrscheinlich, dass die Bewerbung als passend angezeigt wird.

CV: 5 Tipps für gute Inhalte

  1. 1 Hard Skills identifizieren und im Lebenslauf integrieren: Taucht im Stellenprofil das Wort «Projektmanagement» auf, sollte es – sofern dieses Know-how tatsächlich vorhanden ist – auch im CV integriert werden
  2. 2 Soft Skills spielen auch eine Rolle: Gutes Zeitmanagement beispielsweise aufnehmen und mit einem Beispiel untermauern
  3. 3 Business Netzwerke nutzen: Aussagekräftige Profile auf LinkedIn und/oder XING unterstützen die Bewerbung und können mit weiterem Content angereichert werden (Artikel, Videos etc.)
  4. 4 Ungewöhnliche Berufsbezeichnungen vermeiden: Branchenübliche Bezeichnungen helfen, um vom Algorithmus erkannt zu werden
  5. 5 Layout und Wording: Kein untypisches Format und keine seltene Schriftart verwenden; saubere Gliederungen strukturieren die Bewerbung. Schreibfehler eliminieren

Matching-Tools sind doch aber fair: Sie filtern genau nach den gewünschten Kriterien.

Technologien helfen nicht nur Unternehmen – auch auf Bewerberseite werden sie genutzt. Arbeitgeber müssen ihre Recruiting-Prozesse effizient gestalten: Früher kam eine überschaubare Menge an Bewerbungen rein, heute sind es oftmals mehrere Zehntausend im Jahr. Moderne Technik macht das Bewerben schliesslich sehr einfach.

Die Sichtung dieser Bewerbungsmengen ist ohne technische Hilfe sehr zeitaufwendig. Unternehmen müssen aus teilweise dreistelligen Bewerbungszahlen die für sie optimalen Kandidatinnen und Kandidaten für ein Vakanz identifizieren. Fraglich ist, inwieweit man den Computer hier zur Unterstützung zulässt.

Dass Computerunterstützung zu Fehlern führt, erfuhr der weltgrösste Versandhändler vor ein paar Jahren: Der Versuch, Personal mit Algorithmen auszuwählen, scheiterte, weil die Maschine unabsichtlich lernte zu diskriminieren, denn der Algorithmus schaute auf frühere Auswahlentscheidungen. Die Maschine lernte, dass in der Vergangenheit überwiegend männliche Bewerber eingestellt worden waren. In der Folge schloss der Algorithmus daraus, dass männliche Bewerber besser passen würden – und hat diese bei der Auswahl bevorzugt.

Zusammengefasst kann ich sagen: Es ist noch viel zu früh, Maschinen im Recruiting voll zu vertrauen. Dafür ist die wichtigste Ressource, nämlich der Mensch, für Unternehmen viel zu wertvoll.

Aber Ahmed und Reto hätten dann die gleichen Chancen.

Das haben sie bei der Zürcher Kantonalbank sowieso. Dafür brauchen wir keine Maschinen. Der Cultural-Fit ist uns wichtig – nicht die Nationalität, das Geschlecht, das Alter oder die Religionszugehörigkeit. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Unternehmen, die sich Diversity auf die Fahne schreiben oder mit Quereinsteiger-Programmen werben, aber zeitgleich Maschinen diese Menschen mit ihren teilweise unorthodoxen Lebensläufen aussortieren, sind nicht authentisch. Bei so einem Unternehmen würde ich nicht arbeiten wollen.

Wie wird in zehn Jahren rekrutiert?

Ich hoffe, dass die Personalauswahl menschlich bleibt. Schlussendlich müssen sich Menschen und Maschinen optimal ergänzen. Maschinen sollen das Leben und die Arbeit vereinfachen und nicht Menschen bei der Auswahl von Menschen ersetzen.

Über Marcus Fischer

Marcus Fischer kennt sich mit Bewerbungen aus. Seit über zwanzig Jahren ist er damit beschäftigt, die besten Talente zu finden. Seit Anfang 2021 tut er dies für die Zürcher Kantonalbank – als Leiter Talentgewinnung und Rekrutierung.