«Dann wäre ich nun Pianist»

Seit dem 1. Januar 2020 ist Jürg Bühlmann Leiter Firmenkunden. Im Gespräch äussert er sich zum turbulenten Start in der Coronazeit und beantwortet die Frage, ob er schon immer Banker werden wollte.

Text: Livia Caluori, Fotos: Flavio Pinton

Jürg Bühlmann, Leiter Firmenkunden
Jürg Bühlmann, Leiter Firmenkunden

Was ist Ihr Eindruck der ersten neun Monate?

Die Zeit ist unglaublich schnell vergangen. Die ersten zweieinhalb Monate habe ich mich ganz normal eingearbeitet, zusammen mit meinem Vorgänger Heinz Kunz die wichtigsten Schlüsselkunden getroffen. Ab Mitte März kam dann auch auf mich die riesige Welle zu. Gespräche mit dem Finanzplatz Zürich, dem Kanton und selbst dem Bund zur Ausarbeitung der Covid-Kredite waren nun an der Tagesordnung. Aber trotz allem: Ich bin gut angekommen und fühle mich wohl!

Was war der prägendste Moment?

Das war mit Sicherheit der Lockdown mit all seinen Auswirkungen. Es galt, eine pragmatische und rasche Lösung zu finden, um die existenziellen Sorgen der Kunden etwas zu lindern – nur das konnte das Ziel sein.

Konkret?

Es gab plötzlich viel mehr Dossiers auf Krediterhöhung zu prüfen und abzusegnen – glücklicherweise digital, nicht in Papierform. Gleichzeitig haben wir innerhalb weniger Tage das Kreditprogramm für Kanton und Bund aus dem Boden gestampft – und waren anschliessend als Bank sehr in der Umsetzung gefordert. Nacht- und Wochenendschichten waren keine Seltenheit. Hinzu kam, dass von heute auf morgen auch bankintern vieles anders war: Gesplittete Teams erforderten neue Kommunikations- und Organisationsformen.

Wie sind die Mitarbeitenden damit umgegangen?

Ich bin glücklich und stolz darüber, mit welchem Elan die Leute im Hintergrund und unsere Betreuerinnen und Betreuer an der Front diese Krise gemeistert haben – und dies auch weiterhin grossartig tun.

Was ist die wichtigste Erkenntnis?

Erst recht in der Krise musst du zu deinen Kunden halten. Denn: Diese Verlässlichkeit werden sie nicht vergessen! Das alles wäre ohne den starken internen Zusammenhalt als Bank aber nicht möglich gewesen. Kolleginnen und Kollegen aus allen Geschäftseinheiten, mit den unterschiedlichsten beruflichen Funktionen im 'Normalbetrieb', haben sich für einen Spezialeinsatz in der Corona-Taskforce gemeldet. Ich bin begeistert über diesen Team-Spirit in einer Ausnahmesituation.

Apropos: Wie ist die Stimmung bei den Firmenkunden?

Erstaunlicherweise gut. Der Grossteil der Kunden hat die Krise erfolgreich gemeistert. Jetzt sind sie positiv gestimmt, dass es vorwärts geht. Einzige Ausnahme sind Unternehmen jener Branchen, die es besonders hart getroffen hat: etwa Tourismus, Gastronomie, Veranstalter. Und sie wissen immer noch nicht, wie es in Zukunft weitergeht.

Wie lauten Ihre Ziele als Leiter der Geschäftseinheit Firmenkunden?

Es gibt drei Schwerpunkte. Einen habe ich bereits erwähnt: Kunden zu Fans zu machen. Ein anderer lautet: Erträge nachhaltig steigern, mit noch mehr Cross-Selling. Wir unterstützen unsere Kunden ganzheitlich während sämtlicher Unternehmens- und Lebensphasen. Und dann: Wir wollen schweizweit weiter wachsen. 

Der dritte Schwerpunkt heisst: Jede Chance packen, wieder mehr bereit sein, Risiken einzugehen. In den 90er Jahren mit der Immobilienkrise und später mit der Finanzkrise ist das vorsichtige Agieren historisch gewachsen. Doch Corona hat nun wieder gezeigt: Banken können Risiken für ihre Kunden sehr wohl tragen.

Wie ist das alles zu erreichen?

Indem ich Leute involviere, deren Eigenverantwortlichkeit erhöhe. Ich bin nicht in allem ein Experte, kenne nicht immer alle Details. Man muss die Leute begeistern, motivieren, kurz: Sinn stiften können.

Wie treiben Sie sich selbst an?

Ich lebe schon immer nach dem Motto: Jeden Tag ein bisschen besser werden. Ich glaube: Jeder kann sich entwickeln.

Wie stehen Sie zu Fehlern?

Überall passieren Fehler. Es bedarf des Muts, zu ihnen zu stehen.

Und zu Kritik?

Kritik muss man äussern dürfen, denn sie führt zu Weiterentwicklung. Eine solche Kultur ist ganz wichtig.

In der Geschäftseinheit IT, Operations & Real Estate haben Sie Ihren Chefsessel vom Einzel- ins Grossraumbüro verlegt. Und im neuen Bereich?

Ein Einzelbüro ist sicher optimal, um ungestört arbeiten zu können. Ich möchte aber die Stimmung im Team spüren, Informationen aufschnappen, und – wenn nötig – schnell reagieren können. Und apropos bauliche Veränderungen: Hier in der City liessen sich die Wände gar nicht einreissen, wie ich erfuhr – es sei feuerpolizeilich verboten.

Ich will nach wie vor nicht allein im Büro sitzen, aber die Idee von einem Zweierbüro mit meinem Stellvertreter haben wir wegen Corona noch nicht umsetzen können. Hierfür ist im Moment nicht der richtige Zeitpunkt.

Nach dem BWL-Studium an der Uni Zürich haben Sie direkt bei der Zürcher Kantonalbank angefangen. Mögen Sie uns die Anfänge schildern?

Ich arbeitete bei der Bank direkt nach dem Abschluss im Controlling, Projekt Prozesskostenrechnung. Ich lernte sehr viel, suchte aber bald eine neue Herausforderung. In der Folge durfte ich sogar meinen Doktor machen. Wie kam es dazu? Der damalige CEO Paul Hasenfratz stand plötzlich vor mir und sagte: "Herr Bühlmann, wir haben demnächst eine Gesetzesrevision. Mit dem Bankrat muss ich Pro und Contra der Privatisierung unserer Bank diskutieren. Wäre dies nicht ein Thema für eine Dissertation?" Gesagt, getan.

Ihr 25-jähriges Jubiläum bei der Bank liegt bereits hinter Ihnen. Wollten Sie immer bei einer Bank arbeiten?

Überhaupt nicht, ich dachte lange, mit meinem Wirtschaftsstudium letztlich als Ökonom in einem weltweit tätigen Konzern zu landen – etwa McKinsey. In Wahrheit war ich aber immer mit der Zürcher Kantonalbank verbunden. Mein Vater war ja bereits bei der Zürcher Kantonalbank tätig. Er war übrigens ein begeisterter Tennisspieler im Firmenklub der Bank – auch mein Bruder und ich spielten dort von klein auf mit.

Spielen Sie noch Tennis?

Tennis spiele ich schon seit Längerem nur noch selten.

Dafür was anderes?

Golf. Als Generaldirektor ist dies fast ein "Muss" (schmunzelt). Auch für den Golfklub der Zürcher Kantonalbank war ich bereits im Einsatz.

Lieblingsplatz?

Jener meines Heimklubs in Sagogn. Wir haben dort in der Nähe eine Ferienwohnung, fahren so oft wie möglich hin. Wir haben dort auch unsere letzten Sommerferien verbracht. Ich kann im Bündnerland sehr gut abschalten.

Erholsame Strandferien oder kulturelle Bildungsferien – was entspricht Ihnen eher?

Zunächst einmal: Wir freuen uns auf den Tag, wenn wir wieder unbeschwert ins Ausland reisen oder die eine oder andere Städtereise mit den Göttibuben unternehmen können. Für einen Verdi-Abend, für Musik von Dvořák, Liszt oder Chopin, aber auch für Besuche in den Kunsthäusern unserer Welt bin ich sofort zu haben!

Woher kommt die Passion für klassische Musik?

Sie ist schon in der Primarschulzeit zum Leben erwacht. Ich habe lange Klavier gespielt. Wenn es nach meinem Klavierlehrer gegangen wäre, hätte ich sogar das Konservatorium absolviert und wäre heute wohl Pianist. Ich habe Musiker stets bewundert, tue dies immer noch. Aber: Jeden Tag acht Stunden am Instrument üben? Das wäre kein Job für mich.

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