Wir räumen auf – mit Vorurteilen rund ums Geld anlegen

Wer sein Geld anlegt, der kann von Renditechancen und vom Zinseszinseffekt profitieren. Auch mit kleineren Investitionen kann über die Jahre eine beachtliche Summe zur Verfügung stehen – sei es für den Autokauf, die Weltreise oder für die Altersvorsorge. Produktspezialistin Marietta Stieger und Michael Müller, Filialleiter Zürich City, entkräften gängige Vorurteile und geben Tipps rund um die Thema Sparen und Anlegen.

Text: Ina Gammerdinger / Bilder: Simon Baumann

Für jeden Anlegertyp gibt es die richtigen Lösungen.

Bei Bargeld weiss ich, was ich habe – und Sicherheit ist mir wichtig

Marietta Stieger: Ganz so einfach ist die Realität nicht. Aus zwei Gründen: Erstens verringert die Inflation beziehungsweise die Geldentwertung die Kaufkraft über die Zeit spürbar. In der jüngeren Vergangenheit war die Inflation hierzulande mit 0,5 bis 1 Prozent relativ gering, führte aber kumuliert über die Jahre auch zu einem Verlust der Kaufkraft. Derzeit ist die Inflation mit 3 bis 4 Prozent besonders spürbar. Und zweitens werden mögliche Renditechancen verpasst. Im Fachjargon ist vom sogenannten «Opportunitätsverlust» die Rede. Umso länger man nicht investiert hat, umso grösser die möglichen entgangenen Gewinne.

Marietta Stieger
Marietta Stieger, Produktspezialistin bei der Zürcher Kantonalbank: «Auch kleine Beträge summieren sich im Laufe der Jahre.»

Inflation, Geopolitik, Zinsen … – lieber warte ich auf ruhigere Zeiten

Michael Müller: Was intuitiv plausibel klingt, macht bei näherer Betrachtung wenig Sinn. In unserer Beratung erheben wir von den Kunden ein Anlegerprofil und empfehlen basierend darauf eine Anlagestrategie. Die Strategie widerspiegelt die persönliche Risikofähigkeit und Risikoneigung sowie den Anlagehorizont. Wichtig ist jedoch, die Anlagestrategie nicht laufend an die aktuellen Marktgegebenheit anzupassen, sondern den persönlichen Kurs beizubehalten. Denn wie genau sich die Märkte oder die Kurse entwickeln, können wir letztendlich alle nicht voraussagen.

Michael Müller
Michael Müller, Filialleiter Zürich City, weiss, dass ein langfristiger Anlagehorizont Sinn macht.

Marietta Stieger: Die Anlagestrategie vergleiche ich immer gern mit Ausdauer-Sport: Ich verfolge mit viel Durchhaltewillen, Disziplin und Ausdauer sowie starken Nerven meine ambitionierten Ziele.

Michael Müller: Die Zeitdauer oder der Anlagehorizont ist viel wichtiger als der genaue Einstiegszeitpunkt. Auch zahlreiche Studien belegen, dass ein langfristiger Anlagehorizont Sinn macht. Beispiel: Bei einer Investition von CHF 10'000 in den Swiss Performance Index (SPI) im Januar 2001 resultierte nach 5'405 Handelstagen im Juni 2022 ein Betrag von CHF 24'610. Sind in dieser Zeit nur die 10 besten Börsentage verpasst worden, schmälert sich der Gewinn auf CHF 13'390. Nicht investiert zu sein bedeutet somit verpasste Renditechancen.

 

Anlagestrategie

Die Anlagestrategie ist das Rückgrat jedes Portfolios. Sie bestimmt, welcher Anteil des Vermögens in welche Anlageklassen (Aktien, Obligationen, alternative Anlagen) investiert wird. Die Wahl der Anlagestrategie erfolgt aufgrund der finanziellen Situation und der individuellen Risikobereitschaft sowie -fähigkeit und ist unabhängig vom aktuellen Marktumfeld zu definieren. Die Strategie sollte regelmässig überprüft und bei unveränderter persönlicher Situation grundsätzlich beibehalten werden.

Anlegen ist mir generell zu risikoreich

Michael Müller: Natürlich schwanken Anlagen kurzfristig im Wert. Beim Investieren ist aber in wirtschaftlichen Zyklen, also in Zeiträumen von 7 bis 10 Jahren zu denken – und nicht in Wochen. Betrachten wir beispielsweise den Schweizer Aktienmarkt beziehungsweise den SMI Leitindex, der 1988 eingeführt wurde, so hat er eine jährliche Performance von über 8 Prozent geliefert. Anders ausgedrückt: kumuliert mit Dividenden 1'400 Prozent – trotz phasenweiser starker Rückschläge. Die Frage müsste somit eher lauten: Wie investiere ich sinnvoll diversifiziert? Denn mit einem diversifizierten Portfolio können Titelrisiken vermindert werden.

 

Diversifikation

Damit ist gemeint, dass Investitionen über verschiedene Anlageklassen hinweg (beispielsweise Aktien und Obligationen) möglichst breit gestreut und dadurch Risiken auf verschiedene Anlageklassen, Märkte, Sektoren und Unternehmungen verteilt werden.

Kleine Beträge investieren lohnt sich nicht

Marietta Stieger: Ich finde, der Zinseszinseffekt wird oftmals unterschätzt. Ein einfach gehaltenes Beispiel: Investiere ich 50 Franken im Monat, habe ich innert 20 Jahren mit einer Nettorendite von lediglich 2 Prozent etwa 14'500 Franken angespart. Würde ich das Geld in bar aufbewahren und gehe ich von einer Inflation in Höhe von 1 Prozent aus, wären in 20 Jahren nur 10'900 Franken zusammengekommen. Ich müsste mich also mit rund 30 Prozent weniger zufriedengeben. Damit aber der Zinseszinseffekt wirkt, bedarf es vor allem eines: Zeit.

 

Zinseszinseffekt

Bereits Albert Einstein wird nachgesagt: «Der Zinseszins ist das 8. Weltwunder; wer ihn versteht, verdient daran, alle anderen bezahlen ihn.» Der Zinseszins ist ein Zins, der auf fällige, dem Kapital hinzugefügte Zinsen erhoben wird. Bei Anlagen gilt dasselbe Prinzip, wenn Ausschüttungen (zum Beispiel von Fonds oder Dividenden bei Aktien) reinvestiert werden. Der Zinseszinseffekt wirkt aber auch, wenn eine Investition sich im Wert steigert, da Wertzuwächse sich, ähnlich wie Ausschüttungen, über die Zeit akkumulieren.

Investieren ist nur etwas für Profis

Marietta Stieger: Mit gut diversifizierten Anlageprodukten kann ein grosser Teil der Arbeit an Profis abgegeben werden. Dennoch würde ich gerade jüngeren Investorinnen und Investoren empfehlen, sich Finanzwissen anzueignen. Und obwohl Kapitalmärkte auf den ersten Blick trocken erscheinen können, widerspiegeln sie einen Teil unserer ökonomischen Realität – und diese ist letztlich für uns alle relevant.

Michael Müller: Unsere Kundinnen und Kunden müssen keine Anlagespezialistinnen und -spezialisten sein, denn dafür haben sie ja uns. Meine Kolleginnen, Kollegen und ich beraten unsere Kundschaft ganzheitlich. Im gemeinsamen Gespräch legen wir die Rahmenbedingungen fest und berücksichtigen Wünsche und Bedürfnisse. Für jeden Anlegertyp gibt es die richtigen Lösungen. Eine Rolle spielt auch die persönliche Lebensplanung, das Alter, die Vorsorgesituation oder auch die steuerliche Thematik. Für jedes Thema können wir Hilfe bieten.