«Negativ­zinsen sind Geschichte»

Was bedeutet der SNB-Entscheid für den Sparer oder den Hypothekarnehmer? Wir haben bei Jürg Schnider, Leiter Treasury, nachgefragt.

Interview: Marco Metzler

Jürg Schnider Leiter Treasury
Auch wenn sich die Banken nach sieben Jahren mit den Negativzinsen arrangiert haben, ist deren Ende eine gute Nachricht für Jürg Schnider, Leiter Treasury bei der Zürcher Kantonalbank. (Foto: Flavio Pinton)

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat heute die Zinsen um 75 Basispunkte auf 0,5 Prozent angehoben. Was bedeutet das Ende der Negativzinsen für die Banken?

Jürg Schnider, Leiter Treasury: Grundsätzlich ist das Ende der Negativzinsen eine gute Nachricht für alle Banken. Vergessen sollten wir dabei allerdings nicht, dass es sich hier lediglich um einen Schritt zurück in die Normalität handelt. Die Banken hatten sich nach über sieben Jahren Negativzinsen zwar einigermassen mit diesem ausserordentlichen Phänomen arrangiert. Der Anstieg der Zinsen bedeutet aber, dass auch im Geschäft mit Kundeneinlagen in Zukunft wieder Zinsen gezahlt werden können und dabei auch eine Marge verdient werden kann. Dieses Geschäft war seit der Einführung der Negativzinsen 2015 stark defizitär, da insbesondere auf Sparguthaben in aller Regel keine Negativzinsen verrechnet wurden.

Erhalten die Sparer bei der Bank nun bald wieder Zinsen auf dem Sparkonto?

Mit dem heutigen Zinsschritt der SNB bewegt sich der Leitzins für den Schweizer Franken zwar endlich wieder im positiven Bereich, aber historisch betrachtet noch immer auf sehr tiefem Niveau. Für die Verzinsung der Sparkonten sind vor allem diese kurzfristigen Zinsen massgebend, da der Kunde über seine Einlagen recht flexibel verfügen und sie innert kurzer Frist abheben kann. Eine Erhöhung der Verzinsung von Spargeldern setzt voraus, dass sich auch die Zinsen am kurzen Ende der Kurve wieder nachhaltig weiter in den positiven Bereich bewegen. Hier gilt es weitere Zinsschritte der SNB abzuwarten. Der nächste steht aller Voraussicht nach bereits im Dezember an.

Wie werden Kundinnen und Kunden sonst noch betroffen sein?

Die Weiterverrechnung der Negativzinsen ist mit dem heutigen Entscheid der SNB Geschichte. Im Gleichschritt werden auch die individuellen Freibeträge aufgehoben. Die von Negativzinsen betroffenen Kunden werden umgehend schriftlich über diese Änderung informiert.

Wird es bei steigenden Zinsen neue Angebote für Kunden geben?

Wegen der gestiegenen Zinsen im Schweizer Franken rücken die traditionellen Instrumente der Passivpalette wieder in den Fokus der Kunden. Seit einigen Wochen bieten wir den Abschluss von Kassenobligationen ab CHF 5'000 sowie den Abschluss von Festgeldern ab CHF 1 Mio. wieder aktiv an. Falls die kurzfristigen Zinsen weiter steigen, ist es durchaus denkbar, dass Abschlüsse von Festgeldern auch wieder ab CHF 100'000 möglich sein werden.

Was bedeutet die Zinserhöhung für die Hypotheken?

Im Hypothekargeschäft liess sich in den letzten Monaten ein Trend zu kürzeren Laufzeiten beobachten, insbesondere zu Rollover-Hypotheken. Diese sind an den SARON geknüpft. Ob dieser Trend sich nach dem neuesten SNB-Entscheid fortsetzen wird, hängt massgeblich auch von der weiteren Entwicklung der Zinsen am längeren Ende der Zinskurve ab.

Bleiben die kurzfristigen Rollover-Hypotheken für die Kunden jetzt auch aus Kostensicht attraktiv?

Ja. Die Immobilienbesitzer tragen dabei jedoch das Risiko weiter steigender Zinsen – ein Risiko, das angesichts der Hartnäckigkeit der Inflation auch in der Schweiz nicht zu unterschätzen ist. Sicher ist, dass die Zinsen für Rollover-Hypotheken aufgrund der Referenzbindung an den SARON steigen werden. Aber auch Festhypotheken werden sich diesem Trend vermutlich nicht ganz entziehen können. Immerhin haben diese durch den starken Anstieg der letzten Monate aber bereits vieles vorweggenommen.

Wieso sind die 10-jährigen Hypothekzinsen bereits bei 2 bis 3 Prozent, obwohl die SNB Zinsen noch so tief sind?

Hier gilt es zwischen dem Leitzins der SNB und den längerfristigen Zinsen am Kapitalmarkt zu unterscheiden. Der Leitzins wird von der SNB festgelegt und ist ein zentrales Instrument für die Umsetzung ihrer Geldpolitik. Der Leitzins hat einen kurzfristigen Charakter. Die Zinsen von Festhypotheken orientieren sich hingegen an den fristenkongruenten Refinanzierungskosten der Bank am Kapitalmarkt. Das sind die Kosten, die bei der Aufnahme von Anleihen oder von Pfandbriefdarlehen anfallen. Diese langfristigen Marktzinsen richten sich nach Angebot und Nachfrage am Zinsenmarkt und spiegeln die Erwartung der Marktteilnehmer bezüglich zukünftiger geldpolitischer und konjunktureller Entwicklung. Diese langfristigen Sätze bestimmen auch die Kosten zur Absicherung der Zinsrisiken aus dem Hypothekargeschäft (mittels sogenannter Zinsen-Swaps).

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