Verantwortungs­bewusst chatten, surfen, gamen

Plaudern und sich inspirieren, streiten und sich versöhnen, Geld ausgeben, oder einfach nur spielen – das ist der Alltag vieler junger Menschen. Doch mehr und mehr davon passiert heute nicht in der physischen, sondern in der digitalen Welt. Umso wichtiger ist es, dass Kinder und Jugendliche lernen, verantwortungsbewusst mit Medien und überhaupt mit Inhalten im Internet umzugehen. Als Bank der Zürcherinnen und Zürcher setzt sich die Zürcher Kantonalbank für die Medienkompetenz von jungen Menschen ein und unterstützt Pro Juventute bei der Sensibilisierung der Bevölkerung. Im Interview erklärt Katja Schönenberger, Direktorin von Pro Juventute, die grössten Herausforderungen. Und sie sagt, was jeder Einzelne tun kann.

Interview: Renate Meier

Der Alltag von Kindern und Jugendlichen ist digital. Deshalb ist ihre Medienkompetenz wichtiger denn je. (Bild: GettyImages)

Zunächst: Wie nutzen junge Menschen die digitalen Medien heute überhaupt?

So selbstverständlich wie sie atmen. Der Alltag von Kindern und Jugendlichen ist digital. Die Bildschirmzeit beträgt täglich bis zu fünf Stunden. Die Übergänge von der offline zur online Welt sind häufig fliessend. Sie pflegen mit Hilfe der digitalen Medien ihre Freundschaften, geniessen die Unterhaltung in diesem oder jenem Kanal, sind dabei kreativ. Kurz: Sie sind die Generation der Digital Natives. Dass Kinder und Jugendliche einen gesunden und konstruktiven Umgang mit digitalen Medien lernen, dafür setzt sich Pro Juventute ein.

Ist Medienkompetenz also noch viel wichtiger als früher?

Es ist eine Schlüsselkompetenz. So wie wir Kindern und Jugendlichen das Rechnen, Lesen oder Schreiben beibringen, ist es ebenso wichtig, sie zu befähigen, mit digitalen Medien umzugehen. Der Unterschied ist: Lesen und schreiben lernen Kinder seit Generationen – und die Erwachsenen wissen, auf was zu achten ist. Im Umgang mit digitalen Medien sind die Unsicherheiten jedoch zum Teil gross. In unseren Workshops in den Schulen reflektieren Kinder früh die Chancen und Gefahren der digitalen Welt.

Katja Schönenberger ist seit 2016 Direktorin von Pro Juventute. Davor arbeitete sie im Marketing der Stiftung und in einem grossen Technologieunternehmen. Sie besitzt einen EMBA der Universität Zürich. (Bild: Pro Juventute)

Konkret heisst das?

Wir sind fast täglich an einer Schule und gehen mit den Kindern ab der 3. Primarklasse stufengerecht das Thema an. Im Zentrum steht der verantwortungsvolle Umgang mit digitalen Medien: Wie gehe ich für mich selbst damit um, wie im Umgang mit anderen? Wir überlegen gemeinsam, wie sich eine gute Balance zwischen on- und offline finden lässt, wie man sich in der Informationsflut orientieren kann und wie man sich vor Gefahren wie etwa Betrug oder unerwünschten Kontakten schützt.

Welche Schnittstellen sehen Sie zwischen Medien- und Finanzkompetenz?

Das Bezahlen wird immer digitaler – und Kinder beobachten das ganz genau. Sie sehen, wie die Erwachsenen an der Kasse ihre Bankkarte, ihr Smartphone oder die Smart Watch hinhalten. Durch die Digitalität wird der Geld-Kreislauf praktisch unsichtbar. Und auch wenn sie online unterwegs sind, in Games oder in Social-Media-Kanälen beispielsweise, treffen sie auf Werbung oder sind mit In-App-Käufen in Games konfrontiert oder mit Spendenaufrufem bei TikTok. Konsum spielt sich ebenfalls online ab. Daher ist es klar, dass der Umgang mit Geld heute nicht losgelöst vom Umgang mit der digitalen Welt gelernt werden kann.

Finanzkompetenz und ein akkurater Umgang mit den digitalen Medien – beides geht somit einher?

Definitiv. Je digitaler der Alltag mit Geld ist, desto wichtiger ist es, beides miteinander zu lernen und zu verknüpfen.

Was sind die Trends?

Aktuell steht TikTok ganz weit oben in der Gunst der jungen Generation. TWINT zu benutzen ist für Schweizer Jugendliche das Normalste der Welt. Videogames bleiben beliebt und werden immer raffinierter – auch in den Bezahlmethoden für die jungen Leute. Und mit ChatGPT stellen sich neue Fragen, zum Beispiel bei der Bewertung von Aufsätzen im Klassenzimmer. Der digitale Wandel ist schnell und die junge Generation jene, die am schnellsten auf Trends aufspringt. Und wieder abspringt, sobald die Eltern und Erwachsenen auftauchen. Das Paradebeispiel dafür ist Facebook – und inzwischen immer mehr auch Instagram.

Was kann das jeweilige Umfeld tun?

Wichtig ist, dass man die Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen nicht belächelt oder verteufelt. Oft höre ich pauschale Aussagen wie «die sind zu viel am Handy; schon klar geht es ihnen nicht gut». Als Erwachsene sollten wir die Lebensrealität der jungen Generation anerkennen und auch sehen, wie viele Kompetenzen sie dank der digitalen Medien entwickeln. Das Wichtigste ist, für die Kinder und Jugendlichen da zu sein, sie zu begleiten.

Pro Juventute

Pro Juventute ist die grösste Schweizer Fachorganisation für Kinder und Jugendliche. Mit ihren vielfältigen Angeboten und Programmen unterstütz sie jedes Jahr über 300'000 Kinder und Jugendliche.

Was sind die grössten Herausforderungen, denen sich Eltern bei der Medienerziehung ihrer Kinder stellen müssen?

Es ist für viele schwierig, bei all den schnellen Änderungen den Überblick zu behalten. Auch wollen viele Eltern ihre Kinder möglichst vor allem Schlechten beschützen. Daher möchten sie häufig strenge Regeln in der Mediennutzung durchsetzen. Das ist aufgrund der Lebensrealität der jungen Generation unrealistisch. Wir plädieren dafür, mit den Kindern und Jugendlichen schon früh über Mediennutzung zu sprechen und so ein Vertrauensverhältnis zu schaffen. Auch sollte man sich auf die Welt der Jugendlichen einlassen – etwa auf TikTok mitscrollen oder ein Game mitspielen. So versteht man die Faszination und erlebt das Kind im Geschehen. Das bietet die Grundlage, gemeinsam darüber zu reflektieren und Regeln aufzustellen.

Wie engagiert sich Pro Juventute diesbezüglich?

Für Eltern bieten wir auf unserer Website viele Informationen und Tipps sowie öffentliche Online-Veranstaltungen zu diversen Aspekten der Medienerziehung an. An lokalen Veranstaltungen kommen wir direkt mit den Eltern ins Gespräch. Dank der Unterstützung der Zürcher Kantonalbank sind Letztere im Kanton Zürich für Eltern kostenlos. Wir haben auch eine vertrauliche und kostenlose Elternberatung, die an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr zur Verfügung steht.

Was heisst das alles für uns als Gesellschaft?

Eine Investition in den gesunden Umgang mit digitalen Medien von Kindern und Jugendlichen ist eine Investition in die Zukunft. Als grösste Schweizer Stiftung für Kinder und Jugendliche sehen wir, dass es uns hier braucht. Wir sind dankbar, dass wir als spendenbasierte Organisation auf die Unterstützung von Privaten und Unternehmen zählen können.

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