Von Alt und Neu
Christoph Schenk, Chief Investment Officer (CIO) der Zürcher Kantonalbank, schreibt in seiner Kolumne rund ums Thema Geld und Anlegen.
Text: Christoph Schenk / Porträtillustration: Florian Bayer | aus dem Magazin «ZH»3/2022
Wir stehen an der Schwelle einer neuen Ära. Mit diesem in Europa nicht für möglich gehaltenen Krieg manifestiert sich geopolitisch eine Zeitenwende. Mit der ungewöhnlich hohen Inflation sowie dem abrupten Ende des lange währenden Tiefzinsumfelds geht ebenfalls eine Epoche zu Ende. Deflation weicht Inflation. Negativzinsen waren gestern. Plötzlich gibt es wieder etwas fürs Geld, auch wenn die Realverzinsung weiterhin ein Minusvorzeichen aufweist.
Doch ist das wirklich neu? Natürlich nicht, gab es doch in der Schweiz bis vor acht Jahren positive Zinsen. In den 1970er-Jahren lagen die Inflationsraten phasenweise bei fast 10 Prozent. Und Konflikte, die uns immer wieder aufs Neue bekümmern werden, gibt es seit Menschengedenken. So gesagt: Von der Wiege bis zur Bahre ist für jeden alles noch nicht Erlebte neu. Ob etwas neu ist, kommt auf Alter, Erfahrung und Perspektive an.
Man kann Neues fürchten oder suchen; es als Gefahr oder als Chance betrachten. «Neu» kommt auch in Neugierde vor. Sie treibt uns an, entfernte Ufer zu erreichen, Lösungen zu entwickeln und positive Veränderungen zu bewirken. Neues entsteht aber immer auch aus dem, was schon vorher war – dem Alten. Das Alte ist das Neue von gestern. Wie sagte doch einst Mahatma Gandhi: «Sei selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst.» Wer so denkt, begreift das Neue – und ebenso das Morgen – als Chance.