Mein, dein, unser
Wenn sich zwei Menschen verbinden, denken sie zuerst ans Gemeinsame. Doch mit Blick auf die Finanzen sollte auch das Geteilte und das zu Teilende nicht ausser Acht gelassen werden. Anhand von drei beispielhaften Fällen erklären wir die Güterstände und welche Rolle sie bei Trennung und Tod spielen.
Text: Patrick Steinemann / Illustrationen: Raffinerie | aus dem Magazin «ZH» 3/2024
«Ja, ich will!», «Und ich auch!»: Mit einer Heirat vereinen sich zwei Menschen und zwei Herzen – Ringe und Küsse werden ausgetauscht, manchmal gibt es Freudentränen. Mit dem Herzensakt der Eheschliessung auf dem Standesamt geht aber auch ein eher nüchterner rechtlicher Schritt einher: Für die Ehepartner gelten fortan die Bestimmungen eines sogenannten Güterstands. Das Güterrecht regelt die Vermögensverhältnisse der beiden Ehegatten während der Ehe – doch eben auch bei deren Auflösung durch Scheidung oder Tod. Daran will verständlicherweise beim Hochzeitskuss niemand denken. Und doch macht es Sinn, bei einer Eheschliessung nicht nur das Gemeinsame zu feiern, sondern auch das später zu Teilende im Blick zu behalten und zu regeln.
Güterrecht vor Erbrecht
Das Schweizer Recht kennt drei Güterstände: Neben der Errungenschaftsbeteiligung – dem sogenannten ordentlichen Güterstand, der von Gesetzes wegen gilt, sofern nichts anderes vereinbart ist – können Eheleute mit Ehevertrag auch die Gütergemeinschaft oder die Gütertrennung wählen. Diese Güterstände regeln, wie die Finanzen im Falle einer Scheidung auseinanderdividiert werden. Das Güterrecht kommt jedoch auch beim Tod eines Ehegatten zuerst zum Zug und bestimmt, welchem Ehepartner einzelne Vermögenswerte zugeordnet werden. Erst in einem zweiten Schritt werden das Erbrecht und damit allfällige Dokumente wie Testament oder Erbvertrag miteinbezogen: Sie regeln die Aufteilung des Nachlasses unter den Erben.
Doch wie unterscheiden sich die drei Güterstände in der Praxis? Und in welcher Konstellation sollte welcher Güterstand gewählt werden? Anhand von drei konkreten, aber fiktiven Beispielfällen zeigen wir die Möglichkeiten und Grenzen der drei Optionen auf. Anna Rüedi, Spezialistin für Güter- und Erbrecht bei der Zürcher Kantonalbank, ordnet die drei Fälle aus fachlicher Sicht ein. Sie empfiehlt vorweg, sich generell frühzeitig über die verschiedenen Güterstände zu informieren und den jeweils für die persönliche Situation passenden Güterstand zu wählen.
Errungenschaftsbeteiligung: Sebastian und Ariane Schmid und ihre vier Töpfe
Unser erster Fall handelt von Ariane und Sebastian Schmid. Das junge Ehepaar hat bei der Heirat keinen anderen Güterstand gewählt und lebt deshalb unter dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Das Paar hat gemeinsam zwei kleine Kinder. Sebastian arbeitet Vollzeit, Ariane kümmert sich nach gemeinschaftlicher Entscheidung vollamtlich um die Kinder; später will sie wieder in einem 50 %-Pensum in ihrem angestammten Beruf tätig werden.
Für Erbschaftsberaterin Anna Rüedi ist die Errungenschaftsbeteiligung hier der ideale Güterstand: «Er schützt Ariane Schmid, die zeitweise keiner bezahlten und danach einer deutlich reduzierten Arbeitstätigkeit nachgeht und insofern finanziell deutlich schwächer aufgestellt ist. Im Fall der güterrechtlichen Auseinandersetzung infolge Scheidung oder Tod spielt es bei der Errungenschaftsbeteiligung nämlich keine Rolle, wer während der Ehe wie viel verdient hat. Alles, was während der Ehe von Sebastian oder Ariane verdient worden ist, wird hälftig aufgeteilt.»
Das Ehepaar Schmid hat das Eigenkapital für seine Eigentumswohnung grösstenteils mit Geldern finanziert, die es während der Ehe gemeinsam erwirtschaftet hat. Für den Fall einer güterrechtlichen Auseinandersetzung bei einem Todesfall empfiehlt Beraterin Anna Rüedi deshalb, zusätzlich einen Ehevertrag aufzusetzen. Darin kann das Ehepaar Schmid festlegen, dass sämtliches während der Ehe erarbeitetes Vermögen dem überlebenden Ehegatten zukommen soll. Mit einer zusätzlichen erbrechtlichen Regelung können Ariane und Sebastian zudem den grösstmöglichen Anteil ihres Vermögens dem überlebenden Ehegatten zuweisen. «Dadurch können Ariane und Sebastian verhindern, dass der überlebende Ehegatte grosse Erbteile an die Kinder ausbezahlen und dafür im schlimmsten Fall die Eigentumswohnung verkaufen muss.» Die erbrechtlichen Pflichtteile der Kinder gelte es dabei natürlich im Auge zu behalten, so Rüedi.
Familie
Familie
Ariane und Sebastian Schmid haben zwei gemeinsame Kinder (6 Monate und 1,5 Jahre). Seit der Geburt von Johanna ist Mutter Ariane für die Kinderbetreuung zuständig; später will sie wieder 50 % arbeiten.
Wohnen
Wohnen
Das Ehepaar Schmid hat eine Eigentumswohnung gekauft; das Eigenkapital stammt grösstenteils aus während der Ehe erarbeitetem Vermögen.
Güterstand
Güterstand
Errungenschaftsbeteiligung: Sebastian und Ariane haben zusammen vier Vermögenstöpfe – je ein Eigengut (in die Ehe eingebrachte Vermögenswerte plus während der Ehe erhaltene Schenkungen, Erbvorbezüge und Erbschaften) sowie je eine Errungenschaft (Lohneinnahmen, Renten, Vermögenserträge).
Teilung nach Gesetz
Teilung nach Gesetz
Scheidung: Das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen (Errungenschaft) von Ariane und Sebastian wird zusammengezählt und hälftig auf die beiden Ehepartner aufgeteilt – es spielt keine Rolle, wer während der Ehe wie viel verdient hat. Das jeweilige Eigengut wird nicht geteilt.
Todesfall: Der überlebende Ehepartner erhält die Hälfte des während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögens. Die andere Hälfte der Errungenschaft bildet zusammen mit dem Eigengut des verstorbenen den Nachlass, der nach den Regeln des Erbrechts auf die gesetzlichen/eingesetzten Erben aufgeteilt wird.
Gütergemeinschaft: Leni und Marc Keller und ihr Gesamtgut
In unserem zweiten Fall geht es um Marc und Leni Keller und ihre drei gemeinsamen Kinder. Marc und Leni sind vermögend: Sie besitzen nicht nur gemeinsam die eheliche Liegenschaft, sondern haben auch je noch eine Liegenschaft geerbt, die sie jeweils vermieten. Über die Jahre haben Leni und Marc in alle drei Liegenschaften in unterschiedlicher Höhe und mit unterschiedlichen Geldern – aus Erbschaften und aus der Errungenschaft – investiert. Die beiden Ehepartner machen sich nun Gedanken über ihren Nachlass, zumal ihre drei Kinder nicht auf ihren Pflichtteil verzichten möchten. Marc und Leni haben grosse Sorge, dass Eigengut und Errungenschaft nicht mehr fein säuberlich unterschieden werden können, wenn einer von ihnen stirbt. Sie beschliessen deshalb, einen Ehevertrag zu schliessen und – mittels Beurkundung durch einen Notar und rückwirkend per Eheschluss – eine allgemeine Gütergemeinschaft zu vereinbaren.
Für Erbschaftsberaterin Anna Rüedi ist dies die richtige Entscheidung: «So bildet praktisch das gesamte eheliche Vermögen – bis auf die ausschliesslich dem persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände, welche dem Eigengut zugerechnet werden – das Gesamtgut. Im Ehevertrag können Marc und Leni Keller zudem bestimmen, dass das ganze Gesamtgut dem überlebenden Ehegatten zukommt, wobei die Kinder ihren Pflichtteil erhalten. Das Ehepaar Keller verhindert mit der Wahl des Güterstands der Gütergemeinschaft eine komplizierte güterrechtliche Auseinandersetzung, wie dies innerhalb der Errungenschaftsbeteiligung notwendig wäre.»
Familie
Familie
Marc und Leni Keller haben drei gemeinsame Kinder.
Wohnen
Wohnen
Leni und Marc Keller sind Miteigentümer der ehelichen Liegenschaft und haben je eine Liegenschaft geerbt; diese werden vermietet. In die Liegenschaften wurde mit unterschiedlichen Mitteln investiert.
Güterstand
Güterstand
Gütergemeinschaft: Marc und Leni Keller haben drei Vermögenstöpfe – das jeweilige Eigengut sowie das Gesamtgut. Das Gesamtgut umfasst dabei Einkommen und Vermögen beider Ehegatten.
Teilung nach Gesetz
Teilung nach Gesetz
Scheidung: Das eheliche Vermögen wird güterrechtlich gemäss den Regeln der Errungenschaftsbeteiligung zwischen Leni und Marc aufgeteilt.
Todesfall: Der überlebende Ehepartner erhält die Hälfte des Gesamtguts. Die andere Hälfte bildet zusammen mit dem Eigengut des verstorbenen den Nachlass, der nach den Regeln des Erbrechts auf die gesetzlichen/eingesetzten Erben aufgeteilt wird.
Gütertrennung: Paula Weber und Milena Blanc und ihre separaten Vermögen
Milena Blanc und Paula Weber sind die Protagonistinnen unseres dritten Falls. Milena hat zwei Kinder aus einer früheren Ehe, führt erfolgreich ein Unternehmen und verdient sehr gut. Sie hat sich noch einmal neu verliebt und wagt zum zweiten Mal eine Eheschliessung: Sie heiratet die kinderlose Paula Weber. Paula ist bereits pensioniert und bezieht eine Rente, von der sie gut leben kann. Weil beide Ehefrauen finanziell auf eigenen Beinen stehen und nur Milena Kinder hat, möchten sie nicht, dass ihre Vermögen vermischt werden. Paula und Milena schliessen deshalb einen Ehevertrag und vereinbaren die Gütertrennung. Ein Notar beurkundet diesen Akt.
«Gütertrennung ist der ideale Güterstand, wenn verhindert werden soll, dass sich Vermögen – oder allfällige Schulden – vermischen», erklärt Erbschaftsberaterin Anna Rüedi. Im Falle einer Scheidung würde Paula Weber also keine Vermögenswerte von Milena Blanc erhalten. «Wenn Milena Blanc für ihren Tod vorsorgen will und wünscht, dass ihre Kinder den grösstmöglichen Teil ihres Vermögens erhalten, ohne dass Paula ganz leer ausgeht, kann sie zudem mit einer zusätzlichen erbrechtlichen Regelung bestimmen, dass Paula Weber nur ihren Pflichtteil erhält – dieser umfasst einen Viertel von Milenas Vermögen. Milenas Kinder aus der früheren Ehe erhalten somit mit drei Vierteln den grösstmöglichen Teil ihres Vermögens.»
Familie
Familie
Milena Blanc hat zwei bereits volljährige Kinder aus einer früheren Ehe. Paula Weber ist kinderlos.
Wohnen
Wohnen
Paula Weber und Milena Blanc leben in einer Villa, die Milena gehört.
Güterstand
Güterstand
Gütertrennung: Milena und Paula haben jeweils einen Vermögenstopf – das Vermögen wird nicht vermischt, egal, ob es vor oder während der Ehe erarbeitet wurde.
Teilung nach Gesetz
Teilung nach Gesetz
Scheidung: Es erfolgt keine güterrechtliche Auseinandersetzung und es gibt keine Vermögensaufteilung. Milena und Paula behalten, was ihnen gehört und auf ihren Namen lautet.
Todesfall: Das gesamte Vermögen der Verstorbenen bildet den Nachlass.