Kurs Innovation: Die Präzisions­tröpfler

Der ETH-Spin-off Microcaps will mit eingekapselten Tröpfchen Innovation in der Kosmetik-, Nutrition- und Pharmabranche ermöglichen.

Text: Othmar Köchle / Illustration: Sarah Mazzetti | aus dem Magazin «ZH» 2/2022

Pipette und Fläschchen

Stellen Sie sich das perfekte vegane Burger Patty vor: Es hat eine schöne rosa Farbe, es riecht neutral und frisch im rohen Zustand und ist von angenehmer Konsistenz. Sobald es in die Pfanne kommt und erhitzt wird, kippt die Farbe ins Bräunliche, es entwickeln sich Röstaromen, die an gebratenes Fleisch erinnern, und es hat eine optimale fettige Saftigkeit.

Eine rein pflanzliche Grundmasse dürfte diese Eigenschaften kaum je aufweisen. Dazu braucht es Technik, sprich: homogen in der Masse verteilte natürliche Farbstoffe und Duftstoffe; zusätzliches Fett in mikroskopischen Tröpfchenkapseln, die bei zirka 60 Grad freigesetzt werden und das rohe vegane Burger Patty in einen unwiderstehlichen gebratenen, juicy Burger verwandeln.

Dies ist eine Anwendung von Mikrofluidik. Alessandro Ofner hat sich ab 2015 als Doktorand der Materialwissenschaften an der ETH Zürich mit Mikrofluidik beschäftigt. Er forschte nach einer Technik, die es möglich macht, mit hoher Präzision standardisierte Mikrotröpfchen einzukapseln.

Bisher produzierte die Industrie zwar Tröpfchen mit verschiedenen Eigenschaften, aber es war noch nicht gelungen, die Grösse der Tröpfchen präzise zu beherrschen. Der junge Forscher hatte vielversprechende Formeln entwickelt, die das ermöglichen konnten. Um sein Verfahren industriell skalierbar zu machen, holte er seinen Freund Michael Hagander dazu, seines Zeichens Masterstudent des Maschinenbaus an der ETH Zürich. Zusammen forschten sie an der Technik weiter und merkten bald, dass ihr Verfahren viel Potenzial für Innovation in der Kosmetik-, Nutrition- und Pharmabranche bot. Damit war die Idee des Unternehmens Microcaps geboren.

Hoch standardisierte Tropfenkapseln

Die raffinierte Technik ermöglicht es, mit unterschiedlichen chemischen Materialformulierungen präzise hoch standardisierte Tropfenkapseln ab zirka zehn Mikrometern herzustellen. «Der Kern kann ölig oder wässrig sein. Möglich ist auch ein Wachskern oder ein Polymerpartikel. Und auch die Materialität der Kapsel variiert, was ganz unterschiedliche Eigenschaften ermöglicht», beschreibt Michael Hagander den neuartigen Ansatz von Microcaps.

Die beiden Jungunternehmer überzeugten mit der Idee die Hüter der Fördermitteltöpfe und holten sich das nötige Kapital, um richtig loszulegen, darunter der ZKB Pionierpreis, die Gebert Rüf Stiftung, Venture Kick oder die ETH Pioneer Fellowship.

Mit diesen Mitteln konnte die Forschung mit zusätzlicher Manpower weiter vorangetrieben werden. 2019 war die Firmengründung unter Dach und Fach und im Dezember 2020 folgte die erste Finanzierungsrunde mit externen Investoren, bei der sich auch die Zürcher Kantonalbank im Rahmen ihrer umfassenden Start-up-Finanzierungs-Aktivitäten mit Eigenkapital am Unternehmen beteiligte.

Die Crew, die heute 18 Vollzeitmitarbeitende umfasst, zog nach Schlieren, wo eine Vielzahl von jungen Medtech-Unternehmen auf dem ehemaligen Wagi-Areal ihre Zelte aufschlagen. Hier entwickelte Microcaps im letzten Jahr die erste kommerzielle Anwendung für den Schweizer Kosmetika-Hersteller La Prairie: ein Hautpflegeprodukt, das in kleinsten Kapseln aufgetragen wird, die sich – einmal auf der Haut – wie von Zauberhand auflösen.

Nutrition- und Pharmabranche als weitere Zielmärkte

Microcaps verkauft nicht Maschinen, sondern Know-how und die Entwicklung von Produktionstechnik, um Produkte, die bisher nicht denkbar waren, auf den Markt zu bringen. Im Bereich Nutrition sieht Michael

Hagander mittelfristig grosses Potenzial, um erfolgreich zu sein. Das Burger Patty ist nur ein Beispiel. «Wir haben im Labor schon veganen Kaviar hergestellt. Der schmeckt ausgezeichnet», meint er vielsagend. «Spätestens in fünf Jahren haben wir ein Produkt im Nutritionbereich», meint der Jungunternehmer auf die Frage nach der Zukunft von Microcaps, «und in zehn Jahren entwickeln wir mit einem Pharmakonzern eine neue Art, wie ein Wirkstoff präzise dosiert über eine längere Dauer am richtigen Ort im Körper abgegeben wird.»

 

Serie «Kurs Innovation»

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