Erbstreit vermeiden

Eine Studie der Zürcher Kantonalbank und der ZHAW zeigt: Der Nachlass ist ein emotionales Thema, die Angst vor Konflikten ist gross. Auch deshalb schieben viele die Nachlassplanung hinaus. Doch sind es gerade klare Regelungen und Transparenz, die helfen, Streit unter den Erbenden zu vermeiden.

Text: Simona Stalder und Ina Gammerdinger | aus dem Magazin «ZH» 2/2023

Stefan Reinhard
«Werden die Erben zu lange im Ungewissen gelassen, drohen Enttäuschungen», erklärt Stefan Reinhard, Leiter Erbschaften und Stiftungen bei der Zürcher Kantonalbank. (Bild: Christian Grund)

Familie, Arbeit, Hobbys – wer mitten im ­Leben steht, hat oft andere Prioritäten, als seinen Nachlass zu regeln. Zudem: Wer setzt sich schon gerne mit dem eigenen Tod auseinander? Es gibt aber noch einen Grund, warum sich viele vor der Nachlassplanung drücken: «Sind die familiären Verhältnisse kompliziert oder von Spannungen belastet, fällt die Auseinandersetzung mit dem Thema umso schwerer», sagt Stefan Reinhard, Leiter Erbschaften und Stiftungen bei der Zürcher Kantonalbank.

Dabei ist sich eine grosse Mehrheit (88 Prozent der Befragten) der Notwendigkeit einer Nachlassplanung bewusst, wie eine aktuelle Studie der Zürcher Kantonalbank und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW zeigt. Dennoch hat fast die Hälfte von ihnen noch keine konkreten Massnahmen umgesetzt. Zum Handeln bewegen in der Regel erst die Pensionierung oder ein Todesfall im persönlichen Umfeld.

Grafik 1: Massnahmen

Grafik 1 zum Thema Erbstreit vermeiden

Frauen gehen das Thema proaktiver an

Wer eine klare Nachlassregelung trifft, tut auch den Hinterbliebenen einen Gefallen, denn sie kann Konflikte verhindern. Ein Thema, das beschäftigt: Über 90 Prozent der befragten Personen erhoffen sich mit Blick auf eine künftige Erbschaft in erster Linie, dass es keinen Streit gibt. Auch für die meisten Erblassenden hat das Verhindern von Konflikten hohe Priorität (vgl. Grafik 2).

Eine Auswertung nach Geschlechtern zeigt: Männer vertagen die Nachlassplanung deutlich häufiger als Frauen. Während unter den Erblassern zum Zeitpunkt der Befragung weniger als die Hälfte ihren Nachlass bereits geregelt hatte, waren es bei den Erblasserinnen immerhin 58 Prozent. Frauen sprechen zudem öfter mit ihren Erbinnen und Erben über den Nachlass, was enorm wichtig ist. «Werden die Erben zu lange im Ungewissen gelassen, drohen Enttäuschungen», erklärt Stefan Reinhard.

Mehr Freiheit durch neues Erbrecht

Rund die Hälfte der befragten Erblassenden möchte ihr Vermögen abweichend von der gesetzlichen Erbfolge verteilen. Das seit diesem Jahr geltende neue Erbrecht eröffnet ihnen dabei mehr Spielraum: Die Pflichtteile wurden verkleinert, sodass jede Person über mindestens die Hälfte ihres Nachlasses frei verfügen kann. Das kommt insbesondere Konkubinatspaaren und Patchwork-Familien zugute.

Das neue Erbrecht wirft bei den Erb­lassenden aber auch Fragen auf. Nur knapp 14 Prozent haben ihre Nachlassplanung bereits an das neue Erbrecht angepasst oder wollen dies noch tun. Zwei Drittel sehen keinen Handlungsbedarf und ein Fünftel weiss nicht, ob er von der Revision überhaupt betroffen ist.

Grafik 2: Konflikte

Grafik 2 zum Thema Erbstreit vermeiden

Individualität erfordert Beratung

Der Beratungsbedarf beim Thema Erbschaft ist gross. Vor allem ältere Befragte nennen fehlendes Wissen oder mangelnde Unterstützung als Grund, warum sie noch keine Massnahmen umgesetzt haben (vgl. Grafik 1). Hingegen liegt der Anteil der Befragten mit geregeltem Nachlass bei denjenigen, die sich professionell beraten liessen, bei zwei Dritteln.

Stefan Reinhard: «Eine Beratung hilft, den Gestaltungsspielraum voll auszuschöpfen, und unterstützt bei der Wahl und der korrekten Ausgestaltung des passenden Nachlassinstruments.» Je nach Situation ist ein Testament, ein Erb- oder ein Ehevertrag sinnvoll, wobei die Instrumente häufig auch kombiniert werden. Vor allem aber ist der Austausch mit einer Fachperson ein wichtiger erster Schritt, um die Nachlassplanung endlich in Angriff zu nehmen.

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