Nimmersatt

Sie durchforsten Brockenhäuser, suchen in Online-Foren oder lassen sich vom Zufall treiben: Sammlerinnen und Sammler sind immer auf der Suche, auf der Jagd – genug kriegen sie nie. Und doch geht es um weit mehr als den blossen Besitz von Gegenständen.

Text: Rahel Perrot | aus dem Magazin «ZH» 3/2023

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Sophie Grossmann mit Objekten aus ihrer Sammlung an Vintage-Abendgarderobe (Video: Simon Baumann / Mathieu Gilliand)

Vintage-Abendbekleidung

«Bereits als Teenager fing ich an, Kleidung zu sammeln. Ich habe eine emotionale Beziehung zu den Stücken. Inklusive der Hüte und Schuhe umfasst meine Sammlung an die 700 Teile. Manche davon dienen nur noch zu Ausstellungszwecken, als Studienobjekte. Sie sind zu fragil und aufwendig in der Pflege und Instandhaltung, als dass sie noch getragen werden könnten. Sammeln geht aus meiner Sicht nur mit Richtlinien, ansonsten läuft es aus dem Ruder. Zu Beginn fiel es mir schwer, Kleidung abzulehnen, die nicht in mein Konzept passt. Ich verstehe mich als ‹Connaisseurin›, die ein Kulturgut und Handwerk erhalten will. Es ist vor allem die fachliche Auseinandersetzung mit dem Objekt, die mich interessiert. Egal aber, ob die Kleider in meinem Archiv oder meinem Schrank ihren Platz finden, damals wie heute fasziniert mich der Verwandlungsmoment beim Tragen.»

Sophie Grossmann (*1991), Abend­bekleidung aus dem frühen 20. Jahrhundert, Zürich, zigirauschenberg.com

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Roman Güttinger hat eine der grössten Sammlungen an Filmrequisiten in Europa (Video: Lisa Estermann / Flavio Pinton)

Filmrequisiten

«Das Sammeln liegt bei uns in der Familie. Mein Vater besitzt unzählige Schallplatten. Meine grosse Leidenschaft ist der Film. Die genaue Anzahl meiner Requisiten und Kino-Memorabilien kenne ich nicht, es müssen mehrere 10’000 sein. Darunter finden sich grosse Exponate wie eine dreieinhalb Meter hohe Alienkönigin, aber auch Skizzen und Figürchen aus Überraschungseiern. Ich bin kein Verbissener, der Originalen nachjagt. Das könnte ich mir gar nicht leisten. Die Objekte haben vor allem einen ideellen Wert. Seit über 30 Jahren sammle ich, was mir Freude macht. Als Filmliebhaber weisst du ganz genau, in welcher Szene welches Teil vorkommt. Oder ich verbinde einen cleveren Tausch oder ein besonderes Erlebnis damit. Zweimal im Jahr verkaufe ich an der Film- und Comicbörse im Volkshaus Zürich Stücke aus meiner Sammlung. Das schafft vor allem Platz. Ich habe mittlerweile fünf Lagerräume. Ein Museum aufzubauen, ist ein grosser Traum von mir.»

Roman Güttinger (*1970), Filmrequisiten, Altstetten, movieprops.ch

Ein Bild von Künstlerin Sandra Kühne mit inspirierenden Objekten aus ihrer Sammlung.
Künstlerin Sandra Kühne sammelt zur Inspiration (Bild: Marvin Zilm).

Inspiration

«Wenn ich mich mit meinen gesammelten Objekten und Materialien umgebe, ist es, als sässe ich in einem dreidimensionalen Skizzenbuch. Es dient mir als Inspirationsquelle für meine künstlerische Arbeit. Dazu gehören Schnüre, Drähte, Steine oder andere Naturmaterialien, aber auch Bleistiftstummel oder Werkzeuge. Im weitesten Sinne haben sie alle mit Linien zu tun. Ich sammle auch Bücher, Papiere und Landkarten. Bereits als Kind hortete ich Unmengen an Schreibblöcken. Ich laufe mit einem offenen Blick durch die Welt, die Stücke kommen mehrheitlich zufällig zu mir. Sie sind weder sortiert noch archiviert. Für mich ist es auch nicht schlimm, wenn etwas in Vergessenheit gerät. Die Objekte haben alle unterschiedliche Potenziale zu unterschiedlichen Zeiten. Je nach Kombination inspirieren sie mich anders. Daher ist es für mich wichtig, von Zeit zu Zeit gewisse Objekte in Kisten oder Schubladen wegzuräumen und dafür andere hervorzuholen und neu anzuordnen.»

Sandra Kühne, Künstlerin (*1976), inspirierende Objekte und Materialien, Zürich, sandrakuehne.ch
 

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Peter Grünbaum mit Objekten aus seiner Murano-Glas-Sammlung (Video: Lisa Estermann / Mathieu Gilliand)

Murano-Glas

«Als Sammler bist du auch Jäger, teils gierig. Mein Lieblingsstück ist immer jenes, das ich als Letztes gekauft habe, und wenn ich etwas verkaufe, fühlt es sich immer so an, als würde ich mein Lieblingsstück weggeben. Doch so schaffe ich wieder Platz für Neues. Meine Murano-Glas-Kollektion umfasst mittlerweile 500 Raritäten und weitere 2’000 Stück gutes Glas. Den Grossteil bewahre ich in einem Lagerhaus auf. Als ich vor 30 Jahren zu sammeln anfing, setzte ich noch auf Masse. Je mehr ich mich in das Thema einlas, desto wählerischer wurde ich. Murano-Glas ist nur noch schwer zu finden, die Glasgalerien und Händler gibt es nicht mehr. Murano als Kunsthandwerk ist am Aussterben. Internationale Auktionshäuser versteigern zwar teils ganze Nachlässe. Die Raritäten von Carlos Scarpa, Fulvio Bianconi, Thomas Stearns oder Yoichi Ohira, die einst 200 Franken kosteten, gehen dort zu Wahnsinnspreisen von bis zu 750’000 Franken weg. Da kann ich nicht mit­halten.»

Peter Grünbaum (*1950), Murano-Glas, Zürich, 1000-objekte.ch
 

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