Bringtʼs voll: der Velokurier
Velokuriere liefern Proben ins Labor, spedieren Unterlagen ins Homeoffice, stellen Einkäufe vor die Tür. Corona konnte der Branche glücklicherweise nicht viel anhaben, im Gegenteil. Cynthia Schemidt fährt für den Velokurier Winterthur. Wir haben sie auf ihrer Tour durch die Eulachstadt begleitet.
Text: Simona Stalder / Bilder: Dominik Hodel | aus dem Magazin «ZH» 2/2021
Die Kuriere des Velokuriers Winterthur fahren mit ihren privaten Velos – vom Rennrad übers Gravelbike bis hin zum Fixie. Warum? «Viele fahren auch privat leidenschaftlich Velo und haben individuelle Vorlieben», sagt Cynthia Schemidt. Sie fährt ein Cyclocross-Modell: «Es ist robust und fährt sich auch auf Kies und Schnee gut.» Für den Verschleiss bekommt sie 30 Rappen pro Stunde – so will es der Gesamtarbeitsvertrag.
Der Velokurier Winterthur wurde 1992 gegründet. Seit 2006 ist er eine Genossenschaft. Cynthia Schemidt: «Bei uns sind die Hierarchien flach, wir teilen uns die Verantwortung und verdienen alle gleich viel.» Mit ein Grund, warum ihr die Arbeit so viel Spass macht. Vor allem aber mag sie die Bewegung an der frischen Luft und, ja, auch die Hektik, die ihr Job mit sich bringt. Wann sie den Dienst quittieren würde? «Wenn es körperlich oder zeitlich nicht mehr drin liegt. Aber ich hoffe, es geht noch eine Weile.»
Zur Flotte gehören auch Lastenvelos. Seit Pläne und Bilder fast nur noch per Mail verschickt werden, ist der Transport schwerer und sperriger Güter wichtiger geworden. Schemidts liebstes Transportgut? Sachen, über die sich die Empfänger besonders freuen: «Im Winter liefere ich jemandem etwa heisse Marroni nach Hause.» Die Lastenvelos helfen auch beim Einkaufsservice, den der Velokurier Winterthur während der Corona-Pandemie anbietet.
Cynthia Schemidt fährt 60 bis 80 Kilometer pro Tag. Neben körperlicher Fitness verlangt ihr Job auch einen Sinn für Logistik und ein gutes Orientierungsvermögen. «Inzwischen kenne ich die Stadt wie meine Westentasche», sagt Schemidt. Weiss sie einmal dennoch nicht weiter, hilft ihr Diensthandy. Es informiert sie über die anstehenden Fahrten und lotst sie zuverlässig an ihr Ziel. Neben dem Velo ist es Schemidts wichtigstes Arbeitsgerät.
Ihr Können messen Velokuriere an Alleycats – Wettrennen, die den Kurieralltag spielerisch nachstellen. Kuriere aus Winterthur veranstalten jeweils im November das Red Light Stopper Alleycat. Es ist eines der ältesten Alleycats der Schweiz und führt Kuriere aus dem ganzen Land in die Eulachstadt.
Cynthia Schemidt (31) fährt zwei Tage pro Woche für den Velokurier Winterthur. Wie viele Kuriere hat auch sie noch weitere berufliche Standbeine: Sie ist in der Geschäftsleitung des Winterthurer Clubs Kraftfeld und arbeitet als freischaffende Künstlerin. Seit 2020 hält sie einen Bachelor in Fine Arts der Zürcher Hochschule der Künste. Was ihre plastischen Arbeiten und das Kurierfahren verbindet? «Die Körperlichkeit», sagt Schemidt.
Zahlen und Fakten
Klassische Cargo-Velokuriere in Zürich
Kantonsweit gibt es drei Kurierdienste, die hauptsächlich Velos als Transportmittel einsetzen
161 Mitarbeitende teilen sich 61,5 Vollzeitstellen
Das Durchschnittsalter der Fahrerinnen und Fahrer liegt unter 30, der Grossteil aller ist männlich
Die drei Betriebe erzielten 2020 einen Umsatz von total rund 4,3 Mio. Franken
Der Mindestlohn gemäss Gesamtarbeitsvertrag liegt bei CHF 20.35 pro Stunde
Serie «Volkswirtschaft»
Vom traditionellen Handwerksbetrieb bis zum hochtechnologisierten Start-up - die Zürcher Wirtschaft ist sehr vielfältig.
In der Serie «Volkswirtschaft» stellen wir ausgewählte Branchen und ihre Vertreterinnen und Vertreter vor. In bildstarken Reportagen gewähren sie spannende Einblick in ihr Tun.