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CIO Marktausblick 2022: Die Schweiz ist gut gewappnet für ein herausforderndes Jahr

Medienmitteilung vom 30. November 2021

  • Das globale Wirtschaftswachstum dürfte 2022 weiter abnehmen, aber immer noch über Potenzial liegen
  • Mit dem Abflauen der Pandemie werden sich inflationstreibende Engpässe bei den Gütern und auf dem Arbeitsmarkt allmählich auflösen
  • Stagflation würde nur drohen, wenn die Pandemie die Erholung abwürgen sollte
  • Bei den Energiepreisen dürften Schwankungen aufgrund der Umstellung der Stromproduktion von fossilen auf erneuerbare Energien zunehmen
  • Die Schweiz bleibt ein Sonderfall in Bezug auf niedrige Inflation; Wirtschaftswachstum auch 2022 weit über langjährigem Durchschnitt

Die aktuelle Verlangsamung des globalen Wirtschaftswachstums dürfte sich auch 2022 fortsetzen. Zu dieser Einschätzung kommen die Ökonomen des CIO-Office der Zürcher Kantonalbank in ihrem aktuellen Marktausblick. Diese Entwicklung bietet aber keinen Grund zur Sorge – sie ist vielmehr die Folge von selbstregulierenden Kräften, die helfen, eine Überhitzung nach der pandemiebedingt ausserordentlich starken Erholung im Frühjahr zu vermeiden. Denn das schnelle Herunter- und Hochfahren der Wirtschaft ist weder an der Realwirtschaft noch am Arbeitsmarkt spurlos vorbeigegangen: In beiden Bereichen wurden die Gleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage empfindlich gestört. 

Mit dem Abflauen der Pandemie dürften sich aber die Personalengpässe in den Industrieländern im Laufe des nächsten Jahres entspannen und das Angebot an Rohstoffen und Vorleistungen aus den Schwellenländern verbessern. So ist etwa in Asien bereits ein Überangebot an Mikrochips zu beobachten, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Lieferketten normalisieren und diese Chips und andere Vorleistungen aus Asien den Weg in die Industrieländer finden, wo ein Nachfrageüberhang besteht. Das sukzessive Auflösen der Lieferengpässe wird zusammen mit einer anhaltend starken Konsum- und Investitionsnachfrage für ein Wachstum über Potenzial sorgen. Eine Stagflation würde nur dann drohen, wenn die Pandemie die Erholung abwürgen sollte.

Inflation: Tiefere Güterpreise auf Jahressicht

Das im Verhältnis zur Nachfrage zu tiefe Angebot am Energie- und Gütermarkt bleibt die Hauptursache für die gegenwärtig hohe Inflation. Dies gilt insbesondere für die USA, wo die Nachfrage nach langlebigen Gütern wie Autos und Unterhaltungselektronik die Güterpreise stark angeheizt hat. Diese Art von Gütern wird allerdings periodisch und nicht laufend konsumiert, so dass das Angebot wieder steigen wird, sobald die Lieferketten repariert und die Produktion in Asien wieder hochgefahren ist. Gegen einen strukturell anhaltenden Anstieg der Inflation bei den Güterpreisen sprechen gleich mehrere Faktoren: der technologische Fortschritt wie Digitalisierung und Automatisierung, die Entwicklung neuer Werkstoffe, ganz allgemein der haushälterischere Umgang mit knappen Ressourcen und schliesslich die Substituierbarkeit von Gütern, die nicht unterschätzt werden darf. 

Der Anteil der höheren Inputkosten, die auf die Konsumenten abgewälzt werden können, dürfte überschaubar bleiben und in der Gesamtbetrachtung durch Güter, die günstiger werden, neutralisiert werden. Die vorübergehend erhöhte Inflation ist der Knappheit einzelner Güter und Arbeitskräfte und somit der Pandemie zuzuschreiben.

Energie: Preisschwankungen dürften zunehmen

Bei den hohen Energiepreisen dürften wir in den Wintermonaten noch keine Verbesserung der Lage sehen. Neben den inflationären Basiseffekten und dem Sondereffekt aus Produktionskürzungen führt auch die Umstellung der Stromproduktion von fossilen auf erneuerbare Energien zu einer Anspannung in der Preisbildung. Der zunehmende Anteil an erneuerbaren Energien an der Stromproduktion ist ein wichtiger Pfeiler, um die Klimaziele zu erreichen. Diese Art der Stromproduktion ist aber viel stärker wetterabhängig. Jüngst ist vor allem der Preis von Gas markant angestiegen, was an einer aktuellen Unterversorgung sowie der Abkehr von Kohlekraftwerken zur Stromerzeugung liegt. 

Wenn die Tage wieder wärmer werden und der Basiseffekt beim Rohöl abnimmt, dürfte dies den inflationären Druck der Energiepreise lindern. Allerdings wird in Zukunft aufgrund des unbeständigen Stromangebotsmix aus fossilen und erneuerbaren Energien mit stärker schwankenden Energiepreisen zu rechnen sein. 

Ausblick: Sonderfall Schweiz

Die Schweiz ist aus wirtschaftlicher Sicht bis jetzt relativ gut durch die Corona-Pandemie gekommen. So war der Konjunktureinbruch deutlich schwächer als zuerst befürchtet und fiel zudem im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern auch geringer aus. Das CIO-Office der Zürcher Kantonalbank rechnet für 2022 weiterhin mit einem hiesigen Wirtschaftswachstum, das weit über dem langjährigen Durchschnitt von 1,6% liegen wird. Die aktuellen Inflationsraten zeigen zudem, dass die Schweiz auch hier einen Sonderfall darstellt. Während die Teuerung in der Eurozone mittlerweile bei 4% notiert, liegt die Schweizer Inflationsrate mit 1,2% immer noch in dem von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) anvisierten Zielbereich von 0% bis 2%. Der wichtigste Grund ist der unterschiedliche Mix des Energiekonsums in den verschiedenen Ländern. Aber auch andere Faktoren, wie zum Beispiel der zur Stärke neigende Schweizer Franken, steuern das ihre zur moderaten Inflationsentwicklung in der Schweiz bei. Gemäss Prognose des CIO-Office wird die Jahresinflationsrate 2022 ziemlich genau in der Mitte des SNB-Zielbandes zu liegen kommen.

Die Schweizer Arbeitsmarkt hat in den letzten Monaten positiv überrascht. Mit dem Zurückfahren der pandemiebedingten Unterstützungsmassnahmen wird der zeitlich aufgeschobene Strukturwandel 2022 wieder einsetzen. Die bis anhin rückläufige Arbeitslosenrate wird somit gegen Ende 2022 wieder leicht steigen.   

Spuren hinterlassen wird die Pandemie beim Schweizer Branchenmix: Sie hat den Trend hin zur Spezialisierung beziehungsweise Clusterbildung im Land weiter verstärket. So werden die beiden Branchen Gesundheit und Pharma nochmals an Bedeutung gewinnen. Daneben dürften die Bestrebungen, die Schweizer Wirtschaft künftig krisenresistenter zu gestalten, uns in den nächsten Jahren auf Trab halten – Stichwörter lauten hier Nearshoring, Reshoring und Anti-Fragilität. Die Erfahrungen mit Kapazitätsengpässen und Lieferschwierigkeiten aufgrund von Grenzschliessungen und Lockdowns haben verschiedene wirtschaftspolitische Entscheidungsträger veranlasst, entsprechende Forderungen zu stellen.   

«Die Schweiz ist derzeit sowohl hinsichtlich Wirtschaftswachstums als auch Inflation ein positiver Sonderfall. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig: der günstige helvetische Branchenmix, kaum stattgefundene Deindustrialisierung, Konkordanzdemokratie – oder schlicht pures Glück», sagt Dr. David Marmet, Chefökonom Schweiz bei der Zürcher Kantonalbank.

Währungen: Mit der abnehmenden Inflation wird auch der Franken wieder schwächer

Noch belasten die derzeit hohen Inflationsraten im Ausland die Realzinsen und somit die Attraktivität der Fremdwährungen gegenüber dem Schweizer Franken. Die globale Konjunktur erholt sich weiter, obwohl mit etwas weniger Dynamik. Der Schweizer Franken wird zwar strukturell eine starke Währung bleiben, im Umfeld einer weiteren Konjunkturerholung und tendenziell steigenden Zinsen aber weniger gefragt sein. Aufgrund der anhaltenden wirtschaftlichen Verbesserung in der Eurozone wird der Euro wieder Boden gutmachen. Die robuste Konjunkturerholung in den USA stützt auch die Zinserwartungen an die US-Notenbank und den US-Dollar. Das Fed wird sich aber insgesamt weiterhin geduldig zeigen, was zusammen mit der bereits hohen Bewertung das Aufwärtspotenzial des US-Dollars begrenzt.

Finanzmärkte: Geld- und fiskalpolitische Entwöhnungsphase

All diese selbstregulierenden Marktkräfte werden nicht nur für eine Abkühlung der Realwirtschaft sorgen, sondern auch für eine zunehmende Zurückhaltung der geld- und der fiskalpolitischen Stimulierung. Der Fiskalstimulus wird ab nächstem Jahr abnehmen, den Investitionszyklus aber weiter unterstützen. Die wichtigsten Notenbanken haben bereits begonnen, ihre monatlichen Wertpapierkäufe zu reduzieren. Das heisst, Regierungen aber insbesondere die Notenbanken vertrauen zunehmend auf die selbsttragenden Kräfte der Konjunktur.

«Die Notenbanken können dank der derzeit zu sehenden Produktivitätssteigerungen zwar behutsam den Fuss vom Gaspedal nehmen. Nichts tun ist aber keine Option mehr, zumal die finanzielle Repression im vorliegenden Wirtschaftsumfeld ein Mass erreicht hat, das die Glaubwürdigkeit der Notenbanken untergräbt und das Risiko steigender Ungleichheiten in der Vermögensverteilung erhöht. An den Finanzmärkten dürfte es zu einer Anpassungs- beziehungsweise zu einer Entwöhnungsphase von der ultragünstigen Liquidität kommen», sagt Manuel Ferreira, Head Investment Strategy & Economic Research bei der Zürcher Kantonalbank.

Die Rahmenbedingungen und die Aussichten für die Entwicklung der Unternehmensgewinne bleiben positiv, sie werden aber moderater zunehmen als 2021. An den Finanzmärkten werden die in der Tendenz steigenden Renditen die teuren Obligationen weiter belasten. Bei den Aktien limitiert die einsetzende Phase der Entwöhnung zwar eine weitere starke Ausweitung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse. Die gute Ausgangslage der Unternehmen, die positiven Dividendenrenditen und die im Grunde genommen immer noch expansive Geldpolitik sprechen aber dafür, dass die heute am Aktienmarkt hoch angesetzten Erwartungen erfüllt werden. «Trotz einiger Unwägbarkeiten führt aus unserer Sicht weiterhin kein Weg an Aktien vorbei. Die besten Renditechancen sehen wir in Nordamerika, in der Schweiz sowie in der Eurozone», sagt Christoph Schenk, Chief Investment Officer der Zürcher Kantonalbank, zur Anlagepolitik der Bank.