«Immobilien aktuell»: Die Romands wohnen lärmgeplagter als die Deutschschweizer
Medienmitteilung vom 23. November 2021
- Genf, Lugano und Lausanne haben den höchsten Anteil lärmbelasteter Wohnungen. Zürich liegt im Mittelfeld. Besonders ruhig wohnt es sich in Bern
- Strassenlärm führt in der Schweiz zu Mietabschlägen von CHF 320 Mio. pro Jahr
- Eigenheimsuchende haben es in der Schweiz derzeit nicht einfach: ungebrochen steigende Immobilienpreise, kaum Inserate, Lieferschwierigkeiten bei Baumaterialien
- Vom Home-Office-Trend profitieren insbesondere Agglomerationsgemeinden. Auf dem Land hat dieser wenig Einfluss auf den Leerstand.
Die Eigenheimpreise dürften dieses Jahr in der Schweiz um 6% steigen, im Kanton Zürich gar um 7,5%, so die Prognose des Immobilienresearchs der Zürcher Kantonalbank in der heute veröffentlichten Publikation «Immobilien aktuell» (PDF, 6 MB). Die Preisbeschleunigung ist dabei klar von der Nachfrageseite getrieben – in der Pandemie ist der Wunsch nach den eigenen vier Wänden gestiegen. Daneben wirkt weiterhin das Niedrigzinsumfeld und eine mögliche Abschaffung des Eigenmietwertes dürfte die Nachfrage zusätzlich ankurbeln.
Lieferschwierigkeiten: Private haben das Nachsehen
Für zusätzliche Bauchschmerzen bei Immobiliensuchenden sorgen der derzeit steile Preisanstieg bei den Baumaterialien sowie die damit einhergehenden Lieferengpässe – beides Nachwehen von Corona. Konnten Parkett, Dämmmaterial oder Backöfen vor der Pandemie noch innert zwei bis vier Wochen geliefert werden, müssen sich Bauherren nun bis zu vier Monate gedulden. Mittelfristig dürften sich die Preise wieder erholen und die Lieferschwierigkeiten auflösen. In der Zwischenzeit haben aber vor allem die privaten Käufer älterer Liegenschaften das Nachsehen – und genau diese sind derzeit fast ausschliesslich auf dem Markt zu finden, da kaum noch neue Einfamilienhäuser erstellt werden. Hier fallen höhere Baukosten aufgrund fälliger Sanierungen oder Umbauten besonders ins Gewicht.
«Bei knappen Ressourcen dürften viele Handwerker und Zulieferer grösseren Auftraggebern den Vorrang geben, in der Hoffnung auf lukrative Folgeprojekte. Kann der private Hausbesitzer seinen Auftrag dennoch platzieren, dann oftmals zu höheren Preisen», sagt Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch bei der Zürcher Kantonalbank.
Makler meiden Immobilienplattformen
Es scheint paradox: Die Anzahl der Immobilien-Transaktionen im Kanton hat jüngst zugenommen. Gleichzeitig sind die grossen Immobilienplattformen aber wie leergefegt – gemäss Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank hat sich die Anzahl der Verkaufsinserate im Kanton Zürich bei Homegate seit 2019 um mehr als 30% reduziert.
Ein Grund: Immer mehr etablierte Makler reduzieren ihr Angebot auf diesen Portalen, generieren sie doch in der gegenwärtigen Marktsituation auf den eigenen Kanälen problemlos genug Nachfrage. Zudem müssen Neubauten oft gar nicht mehr inseriert werden, da teilweise bereits vor Baubeginn sämtliche Wohnungen verkauft sind. Hier reicht häufig das Aufstellen einer Bautafel. Ursina Kubli rät den Eigenheimsuchenden, sich neben den grossen Portalen auch bei verschiedenen Maklerfirmen mit Suchprofilen zu registrieren und die Augen nach künftigen Bauprojekten offen zu halten.
Agglomerationen attraktiver dank Home-Office
Vielleicht dürfte die neue Normalität mit mehr Home-Office den einen oder anderen dazu bewegen, seinen Suchradius zu erhöhen und weiter weg vom Arbeitsplatz zu ziehen. Getreu dem Grundgedanken: Wer seltener fährt, kann dafür an Bürotagen länger pendeln. Eine neue interaktive Kartenapplikation zeigt dabei, wie viele Büroarbeitsplätze von jeder ÖV-Haltestelle in der Schweiz in 30 Minuten erreicht werden können – und wie sich diese Zahl mit längeren Fahrzeiten vervielfacht.
Eine Analyse der Zürcher Kantonalbank hat ergeben: Bei einem Arbeitsalltag mit ein oder zwei Tagen Home-Office die Woche profitieren insbesondere die Agglomerationsgemeinden. Im Kanton Zürich gewinnen ferner vor allem die Seegemeinden sowie solche mit schnellen S-Bahn-Anbindungen wie Uster, Bülach und Wädenswil an Attraktivität. Ein Run auf ländliche, abgelegenere Gemeinden dürfte es aber dennoch nicht geben. Denn um für einen Pendelweg von bis zu 75 Minuten bereit zu sein, bräuchte es wohl mindestens drei Tage Home-Office pro Woche. Gebiete mit hohem Leerwohnungsbestand, wie das Toggenburg um die Gemeinde Nesslau oder das Oberaargau bei der Gemeinde Huttwil, werden also auch weiterhin mit Leerstandsproblemen konfrontiert bleiben.
In der Westschweiz wohnt es sich am lautesten
Das Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank hat für jedes Schweizer Wohngebäude analysiert, wie exponiert dieses gegenüber Strassenlärm ist. Dabei zeigt sich: In den grössten Städten wohnt es sich nicht immer am lautesten. Zürich, die grösste Stadt der Schweiz, befindet sich lediglich im Mittelfeld. Genf, Lugano und Lausanne stechen währenddessen als besonders lärmgeplagt hervor. So hat in Genf jede dritte Wohnadresse eine Beschallung von über 60 Dezibel – dies entspricht einem Rasenmäher aus 10 Meter Distanz und dürfte selbst bei geschlossenen Fenstern in der Wohnung wahrgenommen werden. Die Städte mit der geringsten Lärmbeschallung im Wohnsegment sind Bern, Winterthur und Aarau.
In Bern wohnt man am leisesten
In Bern wohnt man am leisesten
Tabelle: die lärmigsten Strassen in Zürich und Winterthur
Tabelle: die lärmigsten Strassen in Zürich und Winterthur
Aber auch wenn viele Deutschschweizer Städte lärmtechnisch besser abschneiden als die Romandie – auch hier sind tausende Wohnungen entlang der Hauptverkehrsachsen sehr hohem Strassenlärm ausgesetzt. Etwa in Zürich: Allein in der Überlandstrasse hat es fast 1'000 Wohnungen, die einer Lärmbelastung von über 60 Dezibel ausgesetzt sind. Aber auch das ruhigere Winterthur hat seine lärmigen Ecken: So sind über 500 Wohnungen in der Tösstalstrasse von einer Lärmbeschallung von über 60 Dezibel betroffen, in der Zürcherstrasse rund 370.
Der Strassenlärm wird im Kanton Zürich also ein brennendes Thema der Wohnungspolitik bleiben. Mit der Verhinderung von Ersatzneubauten an befahrenen Strassen befindet man sich gemäss Kubli jedoch auf dem Holzweg: «Erstens verspricht die höhere bauliche Qualität durch den Neubau einen viel besseren Lärmschutz im Innern der Wohnungen. Zweitens bringen die Ersatzneubauten aufgrund einer in der Regel höheren Ausnützung das in den Städten so dringend nötige Mietwohnungsangebot.»
Ruhe hat ihren Wert
Dass Ruhe geschätzt wird, lässt sich tatsächlich auch statistisch nachweisen. Basierend auf Homegate-Inseraten hat das Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank einen lärmbedingten Preisabschlag ausgemacht: Mietwohnungen werden ab einem Lärmpegel von 50 Dezibel pro 5 Dezibel mehr um jeweils 1% tiefer inseriert. Die Mietausfälle in der Schweiz summieren sich dabei insgesamt auf über CHF 320 Mio. pro Jahr. In Genf fällt mit jährlichen CHF 40 Mio. der grösste Mietminderwert an. Zürich folgt mit einem Mietausfall von rund CHF 28 Mio. mit deutlichem Abstand als Nummer 2 auf dieser Rangliste.