Schweizer Pensions­kassen­studie 2023: Renditeunter­schiede haben im schlechten Anlagejahr stark zugenommen – Inflation frisst gute Verzinsung auf

Medienmitteilung vom 31. Mai 2023

  • Stresstest an den Finanzmärkten offenbart enorme Unterschiede bei erzielten Anlagerenditen: Die höchste und tiefste Performance klafft mit –1% bis –16,2% weit auseinander. Dies ist deren breiteste Streuung seit der Finanzkrise von 2008
  • Die Rendite von durchschnittlich –8,8% ist das zweitschlechteste Ergebnis seit Erscheinen der Schweizer Pensionskassenstudie im Jahr 2000
  • Defensiv positionierte Pensionskassen mit hohen Obligationenquoten gehörten 2022 zu den grössten Verlierern, solche mit höheren Anteilen illiquider Anlagen performten überdurchschnittlich
  • Trotz Negativrenditen verzinsten Pensionskassen im Schnitt mit 1,9% deutlich über BVG-Mindestzins
  • Erstmals seit über 20 Jahren führte die Teuerung bei den Versicherten zu einer negativen Realverzinsung von 0,9%. Während der Teuerungsausgleich für Rentnerinnen und Rentner unrealistisch bleibt, sind für aktive Versicherte auf lange Frist sogar Leistungsverbesserungen möglich
  • Pensionskassen sind mehrheitlich solide aufgestellt – rund ein Drittel der privatrechtlichen Pensionskassen weist einen Deckungsgrad von über 115% auf

Minus 8,8% Performance, durchschnittlich rund 10 Prozentpunkte tiefere Deckungsgrade und erstmals seit Jahrzehnten eine reale Negativverzinsung der Vorsorgevermögen – die neuste Schweizer Pensionskassenstudie von Swisscanto zeigt, wie anspruchsvoll 2022 für Schweizer Vorsorgeeinrichtungen gewesen ist. Dennoch: Die Mehrheit der Pensionskassen hat das turbulente Anlagejahr gut überstanden und bleibt solide aufgestellt.

Erstmals resultierte aufgrund der hohen Teuerung eine negative Realverzinsung

Die Ausgangslage war ausgezeichnet: Anfang 2022 war die finanzielle Situation der Pensionskassen nach einem starken Anlagejahr so komfortabel wie lange nicht mehr. Doch bereits im ersten Quartal 2022 führten die geopolitischen Spannungen, die hohe Inflation und die steigenden Zinsen zu heftigen Korrekturen an den Finanzmärkten. In der Folge schwanden die hohen Reserven der Pensionskassen rasch: Der durchschnittliche Deckungsgrad privatrechtlicher Kassen sank von 122,1% auf 110,1% per Ende 2022, was den Handlungsspielraum der Kassen deutlich reduziert hat.

Die überraschend gute Nachricht in Anbetracht der negativen Marktperformance: Die Altersguthaben der Versicherten wurden dennoch mit durchschnittlich 1,9% (2021: 4,3%) deutlich über dem BVG-Mindestzins von 1% verzinst. Das starke Signal der Kassen relativiert sich allerdings inflationsbereinigt: Erstmals seit Erscheinen der ersten Pensionskassenstudie im Jahr 2000 resultierte aufgrund der hohen Teuerung eine negative Realverzinsung von 0,9% auf den Alterssparkapitalien der aktiv Versicherten.

Je fitter die Kassen, desto besser können sie tendenziell das Alterskapital verzinsen – dies zeigt sich in der Bandbreite von 0,96% bis 4,28%. Der viermal tiefere Zins benachteiligt Versicherte von Low-Performer-Kassen langfristig gesehen beträchtlich beim Aufbau ihres Alterssparguthabens.

Umwandlungssätze stabilisieren sich

Die meisten Pensionskassen können davon profitieren, dass sie in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht haben. Denn trotz schwierigem Anlagejahr zeigen sich auf der Leistungsseite drei positive Entwicklungen: beim technischen Zinssatz, bei den Umwandlungssätzen und bei der Umverteilung.

Die sich abzeichnende Trendwende beim technischen Zinssatz und die Stabilisierung bei den Umwandlungssätzen macht Hoffnung. Die 2022 unerwartet stark gestiegenen Zinsen belasteten zwar die Märkte, versprechen aber langfristig eine stabilere Ertragsbasis. «Dies ist eine wesentliche Grundlage, damit auf lange Sicht wieder Leistungsverbesserungen für aktive Versicherte möglich werden», sagt Heini Dändliker, Leiter Key Account Management und Leiter Firmenkunden Markt Schweiz der Zürcher Kantonalbank.

Die systemfremde Umverteilung, die während mehr als zwei Dekaden erfolgte, hat sich aus zwei Gründen entschärft. Erstens wegen der Trendwende beim technischen Zinssatz: Nachdem dieser, mit einer Ausnahme von 2003 auf 2004, während Jahrzehnten kontinuierlich sank, ist der technische Zinssatz 2022 erstmals wieder leicht gestiegen – bei privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen von durchschnittlich 1,46% auf 1,52%, bei öffentlich-rechtlichen Kassen von 1,72% auf 1,75%. Der technische Zinssatz liegt erstmals seit 2001 wieder bei der ökonomischen Realität und entspricht der Rendite 10-jähriger Bundesobligationen. Eine wichtige Voraussetzung für die Generationenfairness.

Zur Entschärfung beigetragen haben zweitens die tieferen Umwandlungssätze. Nach über zehn Jahren im Sinkflug zeichnet sich eine Stabilisierung ab. «Die Frage, ob die Umwandlungssätze dabei zu stark nach unten korrigiert wurden, dürfte vor allem aus der Optik der Neurentnerinnen und Neurentner thematisiert werden – nicht zuletzt auch angesichts der Inflation», sagt Dändliker. Denn für Rentnerinnen und Rentner sei ein Teuerungsausgleich aufgrund fehlender freier Mittel aktuell ausser Sichtweite geraten, obwohl sie 2022 der vollen Teuerung von +2,8% ausgesetzt waren.

Gewählte Anlagestrategie für enorme Renditeunterschiede verantwortlich

Der Stresstest an den Finanzmärkten offenbarte enorme Unterschiede bei der erzielten Anlagerendite. Die beste und die schlechteste Performance klaffen hier mit –1,0% bis –16,2% weit auseinander. Dies ist die breiteste Streuung der Renditen seit der Finanzkrise von 2008. Vergleicht man jeweils das Zehntel der Kassen miteinander, die in den letzten fünf Jahren die höchsten beziehungsweise tiefsten Renditen erzielt haben, zeigt sich ein ähnliches Bild: Top-Performer verloren 2022 –3,8%; Low-Performer hingegen –12,7%.

Die Hauptursache für die grossen Unterschiede findet sich in der Asset Allocation, deren Relevanz sich 2022 nochmals akzentuiert hat. Die Analyse zeigt, dass die defensiv aufgestellten Kassen mit hohen Obligationenquoten von durchschnittlich 38,7% zu den grössten Verlierern gehörten. Die vermeintlich sichere Anlageklasse konnte ihre defensiven Qualitäten nicht ausspielen – im Gegenteil. Das erfolgreichste Zehntel der Kassen war knapp zur Hälfte in illiquide und alternative Anlagen inklusive Immobilien investiert – auch im internationalen Vergleich ein gewichtiger Anteil. Illiquide Anlagen stützten die Performance, als die zentralen Anlageklassen Aktien und Obligationen zweistellige Verluste erlitten.

Die grosse Diskrepanz zwischen den Renditen allein dem schwierigen 2022 zuzuschreiben, greift zu kurz. Denn auch über fünf Jahre betrachtet sind die Renditeunterschiede signifikant: Während das beste Zehntel der Kassen über fünf Jahre jährlich 3,9% erwirtschaftete, erzielte das schlechteste Zehntel der Kassen 0,2% pro Jahr. Die Top-Performer weisen mit 116,5% im Schnitt deutlich höhere Deckungsgrade auf als die Low-Performer mit 102,9%. Zudem belegt die aktuelle Pensionskassenstudie, dass sich aktiv gemanagte Anlagen in herausfordernden Börsenjahren bewähren: Vorsorgeeinrichtungen, die mehr als 30% des Vermögens aktiv verwalteten, erzielten eine höhere Rendite als jene mit einem geringeren Anteil. Über zehn Jahre gesehen haben erstere durchschnittlich 3,7% pro Jahr erwirtschaftet, letztere mit mehrheitlich passiven Anlagen 3,5%. «Die richtige Anlagestrategie ist und bleibt elementar, nicht nur für die finanzielle Fitness der Kassen, auch für die Leistungen der Versicherten», resümiert Iwan Deplazes, Leiter Asset Management der Zürcher Kantonalbank. «Versicherte werden stark benachteiligt, wenn Pensionskassen während mehreren Jahren eine tiefe Performance erwirtschaften. Die enormen Renditeunterschiede zeigen, dass einige Kassen Handlungsbedarf bei der Asset Allocation haben.»

Krise ist nicht gleich Krise: Musterschüler unter den Kassen weiterhin solide aufgestellt

Die aktuelle Studie zeigt, dass es Unterschiede gibt zwischen den Marktverwerfungen von 2022 und der Finanzkrise von 2008: Damals waren die Anlageverluste mit –12,6% deutlich grösser als die –8,8% im Jahr 2022. Zudem waren die Pensionskassen 2022 finanziell besser aufgestellt: «Die Vorsorgeeinrichtungen haben bis Ende 2021 aufgrund der guten Börsenjahre ihre Wertschwankungsreserven äufnen können und sind deshalb aus einer Position der Stärke in die Turbulenzen geraten», sagt Deplazes.

Nachhaltigkeit auf dem Vormarsch – zumindest bei grösseren Kassen

Laut der Schweizer Pensionskassenstudie messen die Pensionskassen dem Nachhaltigkeitsthema zunehmend Relevanz bei. Über ein Drittel der Pensionskassen haben mittlerweile Kriterien für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) in ihren Anlagereglementen verankert. In den vergangenen drei Jahren ist dieser Wert von 25% auf 37% gestiegen, wobei öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen bereits bei über 71% liegen, deutlich vor den privatrechtlichen Kassen mit 32%. Bei der Messung der CO2-Intensität der Portfolios oder bei der Festlegung tatsächlicher Reduktionsziele sind grössere Kassen mit einem Vermögen über CHF 500 Mio. erwartungsgemäss weiter fortgeschritten. Wie die Studie zeigt, wird sich dies in der näheren Zukunft auch nicht gross ändern. Lediglich 5% der kleineren und 8% der grösseren Kassen stellen dazu aktuell Überlegungen an.

Präsentation Schweizer Pensionskassenstudie 2023

 

Über die Studie

Die Schweizer Pensionskassenstudie von Swisscanto ist die umfassendste Studie zum Zustand der Schweizer Pensionskassen. An der Schweizer Pensionskassenstudie 2023, der 23. Ausgabe dieser Reihe, nahmen 472 Vorsorgeeinrichtungen teil. Das erfasste Vermögen der Umfrageteilnehmenden beläuft sich auf CHF 738 Mrd. Gesamthaft sind damit knapp 4,0 Mio. Versicherte repräsentiert.

Weitere Informationen unter zkb.ch/pensionskassenstudie