Aufschwung im Schweizer Tourismus
Die Schweizer Tourismusbranche steht vor Herausforderungen wie Klimawandel, starkem Franken und Fachkräftemangel. Dennoch verzeichnet sie Rekordzahlen bei Übernachtungen, dank einer veränderten Gästestruktur und einer widerstandsfähigeren Marktposition. Besonders Gäste aus den USA tragen zum Wachstum bei, während europäische Touristen an Bedeutung verlieren.
Text: David Marmet
Die Schweizer Tourismusbranche ist herausgefordert, denn der Klimawandel beeinflusst insbesondere den Wintertourismus. Skigebiete in tieferen Lagen kämpfen ums Überleben. Die Stärke des Schweizer Frankens macht unser Land zu einem teuren Reiseziel. Nachbarstaaten wie Österreich, Frankreich oder Italien sind oft günstiger. Zudem nimmt die Konkurrenz aufstrebender Destinationen zu – besonders in Asien und der Golfregion. Und der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in der Gastronomie und Hotellerie, nicht zuletzt aufgrund hoher Lebenshaltungskosten in touristischen Regionen, führt zu Qualitätsverlusten, was für die Reputation nicht förderlich ist.
Rekordzahlen trotz widriger Umstände
Dennoch verzeichnete die Schweiz mit 23,5 Millionen Logiernächten im vergangenen Sommer trotz unvorteilhafter Wetterbedingungen einen neuen Rekord. Gemäss Prognosen renommierter Institute setzt sich die positive Dynamik der Übernachtungszahlen auch nach dem Rekordsommer fort. Sowohl die aktuelle Wintersaison als auch der Sommer 2025 dürften von ansehnlichem Wachstum geprägt sein. Wie ist diese Entwicklung mit den genannten Herausforderungen in Einklang zu bringen? Eine der Antworten liegt in der sich ändernden Herkunft der Gäste.
Veränderter Gästestruktur als Wachstumsfaktor
In wohl kaum einer anderen Branche hat die Coronapandemie zu so nachhaltigen Veränderungen geführt wie im Tourismus. Gemessen an der Zahl der Logiernächte hat sich der Anteil der US-Gäste in den letzten Jahrzehnten zwar leicht erhöht, konnte aber bis vor Kurzem nicht mit den Wachstumsraten bei den asiatischen Touristen mithalten. Seit der Pandemie nimmt der Anteil der US-Gäste aber rasant zu. Im Sommer 2024 überholten die USA erstmals Deutschland und wurden zum wichtigsten ausländischen Herkunftsmarkt. Obwohl amerikanische Gäste traditionell Sommertouristen sind, gewinnen sie auch im Winter zunehmend an Bedeutung. Die USA sind mittlerweile das zweitwichtigste Herkunftsland im Wintertourismus. Im Trend rückläufig sind hingegen die Anteile der Touristen aus den Nachbarländern Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich. Lag ihr Anteil bei den Übernachtungen vor 20 Jahren noch deutlich über 40 Prozent, sind es heute gerade mal noch 30 Prozent. Dies hat Auswirkungen auf die Relevanz des Schweizer Frankens für den Tourismussektor.
Europäische Gäste buchen ihre Ferien tendenziell kurzfristiger und weichen eher auf alternative Destinationen im Alpenraum aus, wenn der Franken rasch aufwertet. Die Wechselkurssensitivität von Europäern ist höher als bei Touristen aus fernen Ländern. Bei weit im Voraus gebuchten Europareisen ist die Schweiz oft als Etappe fix eingeplant und der Reiseplan wird selbst bei weniger vorteilhaftem Wechselkurs nicht kurzfristig angepasst. So betrachtet verliert der Franken für den Tourismussektor an Relevanz. Potenzielle Einschränkungen gibt es dennoch: Mit Zunahme junger Individualreisender könnte in Zukunft zumindest für dieses Gästesegment der Wechselkurs wieder an Bedeutung gewinnen. Hinzu kommt, dass der Anteil der Hotelübernachtungen von Schweizer Gästen vor der Pandemie um 45 Prozent schwankte. Während der Coronakrise fiel er wegen der teils geschlossenen Grenzen deutlich höher aus. Aber selbst in diesem Jahr ist der Anteil noch höher als vor der Pandemie. Für heimische Gäste hat der Franken-Wechselkurs selbstredend bloss eine geringe Bedeutung. Der Tourismus in der Schweiz dürfte also bei einem Frankenschock widerstandsfähiger sein als noch vor einigen Jahren.