Bedeutet mehr Tourismus mehr Exporte?

Im Jahr 2023 verzeichnete die Schweiz mit knapp 42 Millionen Logiernächten einen neuen Allzeitrekord. Der Tourismus spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wie die Zahl der Touristen eines Landes mit dessen Warenexporten zusammenhängen, zeigt Chefökonom David Marmet im Beitrag.

Text: David Marmet

Ein Paar steht vor Bergen
«Je mehr Schweizer Waren in ein bestimmtes Land exportiert werden, desto mehr Touristen aus jenem Land besuchen die Schweiz», erklärt David Marmet. (Bild: Getty Images)

Nach zwei Jahren Covid-Pandemie verzeichnet der weltweite Tourismus traumhafte Wachstumsraten. So hat sich die Zahl der weltweiten Ankünfte von Touristen zwischen 2021 und 2023 beinahe verdreifacht. Dennoch liegen sie nach wie vor unter dem Niveau von 2019.

Anders in der Schweiz: 2023 verzeichnete unser Land mit knapp 42 Millionen Logiernächten einen neuen Allzeitrekord. Gut die Hälfte dieser Übernachtungen ging auf das Konto der ausländischen Gäste.

Mit 18% aller ausländischen Touristen führt unser Nachbarland Deutschland die Rangliste im Jahr 2023 an, gefolgt von den USA (15%), Grossbritannien (8%) und Frankreich (7%). Hinter Italien und den Niederlanden folgt Indien (3%) als wichtigstes asiatisches Land an siebter Stelle, wobei es unterjährig zu Verschiebungen des Länderrankings kommt. So steigt in der Wintersaison der Anteil europäischer Gäste an, während insbesondere im Frühjahr und Herbst jener von Touristen aus Asien und dem Nahen Osten relativ hoch ist.

Immer mehr US-Gäste

Auch bei der Wachstumsdynamik der letzten Jahre sind grosse Unterschiede festzustellen. Vor zehn Jahren lag der Anteil der deutschen Touristen mit 23% fünf Prozentpunkte höher als heute. Der Anteil russischer und chinesischer Touristen lag vor zehn Jahren aus naheliegenden Gründen bedeutend höher: China erholt sich nur schleppend von der Pandemie, während sich Russland im Krieg befindet. Ganz anders gestaltete sich die Anzahl Hotelübernachtungen der US-amerikanischen Touristen. Innerhalb von zehn Jahren haben sich diese auf nunmehr über drei Millionen pro Jahr verdoppelt. Hohe Wachstumsraten verzeichneten auch Touristen aus dem Nahen Osten und den meisten asiatischen Ländern mit Ausnahme von Japan und China.

Mehr Touristen gleich mehr Exporte?

Interessant ist ein Vergleich zwischen ausländischen Touristen in der Schweiz und Schweizer Warenexporten. Wichtigstes Exportland für Schweizer Güter waren 2023 die USA, gefolgt von Deutschland und Italien. Noch 2013 führte Deutschland dieses Ranking vor den USA und Italien an. So zeichnen die Vergleiche ein erstaunliches Bild: Je mehr Schweizer Waren in ein bestimmtes Land exportiert werden, desto mehr Touristen aus jenem Land besuchen die Schweiz. Die Korrelation der Anteile ausländischer Touristen und der Anteile von Warenexporten lag sowohl vor zehn Jahren als auch heute bei einem verblüffend hohen Wert von über 0,9. Und auch die jeweiligen Wachstumsraten sind stark positiv miteinander korreliert. Steigen die Warenströme, nehmen auch die Touristenströme zu.

Huhn oder Ei?

Allerdings bleibt die Frage nach Ursache und Wirkung ungeklärt. Kommen mehr Touristen aus einem bestimmten Land in die Schweiz, weil sie zum Beispiel aufgrund der aus der Schweiz importierten Produkte auf unser Land aufmerksam geworden sind? Oder werben ausländische Touristen nach ihrem Besuch in der Schweiz für unser Land, was wiederum die Nachfrage nach Schweizer Produkten erhöht? Wie auch immer diese Kausalität schlussendlich aussehen mag: Es zeigt deutlich, dass wirtschaftliche Tätigkeit und Freizeitverhalten zusammenabhängen. Für das Gedeihen der Schweizer Wirtschaft gilt es also, stets das Gesamtbild im Blick zu halten und nicht den einen Sektor gegen den anderen auszuspielen.

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