Die SNB prescht vor
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat an ihrer heutigen geldpolitischen Lagebeurteilung beschlossen, den Leitzins von 1,75 auf 1,5 Prozent zu senken. Dies wurde von den meisten Finanzmarktteilnehmenden nicht so erwartet. Erfahren Sie im Beitrag, was das für die Schweizer Wirtschaft, die Inflationsprognose und den Schweizer Franken bedeutet.
Text: David Marmet
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat an ihrer heutigen geldpolitischen Lagebeurteilung beschlossen, den Leitzins von 1,75 auf 1,5 Prozent zu senken. Nachdem viele Finanzmarktteilnehmende vor einigen Wochen noch mit einer Zinssenkung gerechnet hatten, veränderte sich diese Erwartungshaltung in den letzten Tagen und Wochen in Richtung Status quo.
Zum einen waren die Bedenken der grossen Notenbanken, dass der Sieg über die Inflation zu früh verkündet werden könnte, nicht ausgeräumt. Zum anderen hat der Schweizer Franken zuletzt wieder an Wert verloren. Unter den Ökonominnen und Ökonomen und weiteren Finanzmarktteilnehmenden wuchs die Überzeugung, die SNB habe keinen unmittelbaren Handlungsbedarf.
Die SNB hat nun die meisten Wirtschaftsakteure auf dem falschen Fuss erwischt. Zwar liegen die Teuerungsraten bereits seit Juni 2023 unter 2 Prozent und damit innerhalb des von der SNB angestrebten Zielbandes von 0 bis 2 Prozent. Das reicht allerdings noch nicht, um daraus zwingend Zinssenkungen abzuleiten. Denn um die Preisstabilität zu gewährleisten, sind die Inflationsaussichten relevant. Und bei diesen hat die SNB nun ein weiteres Mal eine deutliche Revision nach unten vorgenommen.
Wie prognostiziert die SNB die Inflation?
Die SNB prognostiziert ab Anfang 2025 eine stabile Inflationsrate von 1,2 Prozent. Bisher rechnete sie mit einer um 0,4 Prozentpunkte höheren Inflationsrate für diesem Zeitraum – und dies bei einem höheren Zinsniveau. Vor einem halben Jahr rechnete sie gar mit einer Inflationsrate von 1,9 Prozent. Die zukünftige Inflation wurde von der SNB also laufend nach unten revidiert. Dies schien dem SNB-Direktorium, das erstmals auch mit der Stimme des neuen Direktionsmitglieds Antoine Martin entschied, Grund genug für eine Zinssenkung zu sein – und dies, obwohl sich die monetären Bedingungen dank der Abwertung des Frankens um knapp 4 Prozent seit Jahresbeginn entspannt haben.
Erstaunlich kurz wurden die Ausführungen zum Immobilienmarkt gehalten. Die SNB hatte in der Vergangenheit ihre Besorgnis über die Ungleichgewichte am Immobilienmarkt geäussert. Doch trotz munter weiter steigenden Immobilienpreisen geht sie in ihrer Pressemitteilung nur am Rande auf den Immobilienmarkt ein. Zudem hat die SNB ihre Prognose zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) leicht nach oben revidiert und rechnet neu mit einem Wachstum von rund 1 Prozent für 2024.
Folgen bald weitere Zinssenkungen?
Während die Leitzinsen anderer wichtiger Notenbanken derzeit noch im restriktiven Bereich liegen, wirkt das Schweizer Zinsniveau mit 1,75 Prozent bzw. neu 1,5 Prozent weder bremsend noch stimulierend auf die Wirtschaftsaktivität. Der zukünftige Zinssenkungsbedarf hält sich damit in Grenzen. Gemäss den SNB-Prognosen wird sich die Teuerung in der Schweiz unter Annahme des aktuellen Zinsniveaus mittelfristig seitwärts bewegen. Und die konjunkturellen Aussichten hellen sich laufend auf. Entscheidend für die SNB wird indes sein, wie sich die monetären Bedingungen entwickeln werden. Sollten die grossen Notenbanken die Zinsen aggressiver als erwartet senken, dürfte der Franken aufwerten und weitere Zinssenkungen der SNB wahrscheinlicher machen. Aus heutiger Sicht drängen sich jedoch keine unmittelbaren Zinssenkungen auf. Wir rechnen damit, dass die SNB bei ihrer nächsten geldpolitischen Lagebeurteilung im Juni keine Zinsänderung kommunizieren wird.
Was geschieht mit dem Schweizer Franken?
Aus Anlegersicht ist der SNB-Entscheid vor allem für den Ausblick des Schweizer Frankens entscheidend. Dieser hatte seit Jahresbeginn handelsgewichtet knapp 4 Prozent abgewertet. Zum einen, weil die konjunkturellen Risiken abgenommen haben und die Markterwartungen entsprechend mehr und frühere Zinssenkungen implizierten. Die Schwäche des Schweizer Frankens dürfte sich daher nicht weiter akzentuieren, zumal es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch andere Notenbanken erste Zinssenkung vornehmen.