SNB – Geldpolitik der «ruhigen Hand» ist angesagt

Der Leitzins bleibt unverändert bei 1,75 Prozent. David Marmet, Chefökonom Schweiz, ordnet diesen Entscheid der Schweizerischen Nationalbank ein.

Text: David Marmet

David Marmet, Chefökonom der Zürcher Kantonalbank. (Bild: Selina Meier)

​Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat an ihrer heutigen geldpolitischen Lagebeurteilung beschlossen, den Leitzins unverändert bei 1,75 Prozent zu belassen. Dies war von der Mehrheit der Ökonomen und Finanzmarktteilnehmer erwartet worden. Bei der letzten geldpolitischen Lagebeurteilung im September hatte die Notenbank noch ins Feld geführt, dass eine weitere Straffung der Geldpolitik nötig werden könnte. An der heutigen Pressekonferenz wurde diese Variante der Zinspolitik nur noch am Rande erwähnt. Vielmehr stand die Diskussion über erste mögliche Zinssenkungen im Raum. Zum einen hat der Wind an den internationalen Finanzmärkten gedreht. Galt bis vor Kurzem «höher für länger», wird heute spekuliert, welche der grossen Zentralbanken im Frühjahr als erste den Reigen der Zinssenkungen eröffnen wird. Zum anderen hat die Inflation in der Schweiz den letzten Monaten auf der unteren Seite überrascht und der Schweizer Franken hat sich aufgewertet. Gespannt waren die Marktbeobachter daher, wie stark sich die bedingte Inflationsprognose der SNB seit der letzten Lagebeurteilung verändert hatte und ob Devisenverkäufe weiterhin im Vordergrund stehen. Die Notenbank hat dazu heute klare Antworten geliefert.

Bedingte Inflationsprognose innerhalb des Zielbandes

Lag die Schweizer Inflation im Februar 2023 noch bei satten 3,4 Prozent, ist sie im Laufe des Jahres überraschend stark gefallen und notierte im November gerade mal noch bei 1,4 Prozent. Dementsprechend hat die SNB ihre bedingte Inflationsprognose für die nächsten Quartale nach unten angepasst. Aber selbst für die Jahre 2025 und 2026 rechnet die SNB im Vergleich zur September-Prognose nun mit einer niedrigeren Inflation. Die aktuelle Prognose der SNB sieht die Inflation im nächsten Jahr bei 1,9 Prozent und für 2025 rechnet sie mit einer durchschnittlichen Teuerung von 1,6 Prozent. In ihrer Medienmitteilung erwähnt sie indes, dass die Unsicherheit über die Inflationsentwicklung hoch bleibt und die Geldpolitik nötigenfalls angepasst werde, damit die Inflation mittelfristig im Bereich der Preisstabilität bleibe. Die Nationalbank ist weiterhin bereit, am Devisenmarkt zu agieren. Indes verzichtet sie auf die bisherige Präzisierung, dass Devisenverkäufe im Vordergrund stünden.

Einschätzung des CIO Office

Die SNB folgt dem Fed und belässt den Leitzins unverändert. Die Finanzmärkte haben im Vorfeld des Zinsentscheids eine erste Senkung im ersten Halbjahr 2024 eingepreist. Diese Erwartungen wurden nun durch die Ausführungen von SNB-Präsident Thomas Jordan zumindest gedämpft. Die Schweizer Inflation wird aktuell in Gänze durch den Anstieg inländischer Güter- und Dienstleistungspreise getrieben, während eine importierte Inflation nicht existiert. Das wiederum heisst, dass die SNB in einem ersten Schritt wohl auf Devisenverkäufe verzichtet und in einem zweiten Schritt – falls notwendig – wieder Devisenkäufe tätigen wird, damit die Aufwertung des Schweizer Frankens zumindest gebremst wird. Eine Zinssenkung zeichnet sich aber vorerst nicht ab. Zum einen ist der Leitzins in der Schweiz, im Gegensatz zu anderen wichtigen Industrieländern, nicht auf restriktivem Niveau. Das bedeutet, der SNB-Leitzins von 1,75 Prozent bremst die Konjunktur nicht merklich. Zum anderen begrüsst es die SNB, dass am Hypothekar- und Immobilienmarkt die Dynamik über die letzten Quartale spürbar abgenommen hat. Wir erwarten die erste Zinssenkung daher erst im zweiten Halbjahr 2024. Die SNB ist bekannt für ihre «Politik der ruhigen Hand». Dies wurde mit der heutigen geldpolitischen Lagebeurteilung erneut bestätigt.