Sieben Antworten zur Frankenstärke

Der Schweizer Franken hat sich im vergangenen Jahr gegenüber allen wichtigen Währungen aufgewertet. Ist er nun überbewertet? Was bedeutet das für die Schweizer Exportwirtschaft? Und wie reagiert die Schweizerische Nationalbank? Antworten auf diese und weitere Fragen finden Sie im Beitrag von Anlagestratege Elias Hafner.

Text: Elias Hafner

Elias Hafner, Senior Investment Strategist bei der Zürcher Kantonalbank (Bild: Christian Grund)
«Langfristig wird die Schweizer Währung weiterhin von einer strukturell tieferen Inflation in der Schweiz profitieren», erklärt Anlagestratege Elias Hafner. (Bild: Christian Grund)

1. Ist der Franken so teuer wie noch nie?

Der Schweizer Franken hat sich letztes Jahr gegenüber allen grossen Währungen verteuert. Beispielsweise hat er 2023 gegenüber dem Euro um rund 6 Prozent zugelegt, nachdem er bereits im Vorjahr ein Plus von 5 Prozent verzeichnet hatte. Der EUR/CHF-Kurs ist per Jahresende auf 0.93 gefallen. Dies ist ein neues Allzeittief mit Ausnahme des 15. Januar 2015, als es nach der Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses zu deutlichen Verwerfungen am Währungsmarkt kam. Damals sank der Kurs im Tagesverlauf auf 85 Rappen, schloss aber über 0.97. Auch handelsgewichtet hat der nominale Frankenindex einen Extremwert erreicht (vgl. Grafik). In diesem Sinne kostet der Franken so viel wie noch nie. Allerdings sagt dies noch wenig über die reale Stärke des Frankens aus, also die um die Kaufkraft bereinigte Bewertung.

Grafik: Der Franken auf Rekordhoch

Grafik Frankenstärke
Nominaler, handelsgewichteter Frankenindex, 1.1.2022 = 100 (Quelle: Zürcher Kantonalbank, Refinitiv)

2. Wieso hat der Franken so stark aufgewertet?

Dass der Franken in den letzten zwei Jahren so stark aufgewertet hat, liegt vor allem daran, dass die Inflation in der Schweiz deutlich tiefer ist als im Ausland. Die Schweiz hat weltweit das niedrigste Inflationsziel, und die Preise sind hierzulande stärker verankert. Die Schweiz ist auch weniger stark von den globalen Energiemärkten abhängig als andere Länder, was beispielsweise den Energiepreisschock 2022 im Vergleich zum europäischen Ausland deutlich gedämpft hat. Über den Wechselkurs werden die relativen Preisverschiebungen ausgeglichen, was den Franken über die Zeit aufwerten lässt.

Zudem gilt der Franken als sicherer Hafen. So konnte nach dem Angriff der Hamas auf Israel Anfang Oktober 2023 eine Flucht in den Franken beobachtet werden. Zuletzt hat der Franken davon profitiert, dass der getrübte Wirtschaftsausblick und die rückläufige Inflation am Markt vermehrt Zinssenkungen bei der Europäischen Zentralbank und der US-Notenbank Fed erwarten liessen. In der Schweiz besteht diesbezüglich weniger Handlungsbedarf. An den Währungsmärkten können aber auch kurzfristige Bewegungen verstärkt werden, wenn gewisse Kurse unterschritten werden, insbesondere im dünneren Handel über den Jahreswechsel.

3. Welche Rolle spielt dabei die SNB?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat den Franken aufwerten lassen, um die Schweiz vor importierter Inflation zu schützen, und ihn im Jahresverlauf mit Devisenverkäufen aktiv gestützt. Allein im dritten Quartal hat sie 37,6 Milliarden Franken an Devisen verkauft. Ab Mitte 2022 hat sie von ihrer Bilanz Fremdwährungsbestände in Höhe von insgesamt 138 Milliarden Franken verkauft, eine massive Summe. Die Ende Dezember publizierten Bilanzdaten weisen darauf hin, dass die Verkäufe im Oktober und November fortgesetzt wurden.

4. Ist der Franken überbewertet?

Über weite Strecken hat ein stärkerer Franken die Preissteigerungen im europäischen Ausland kompensiert. Die jüngste Aufwertung zu Jahresende geht aber darüber hinaus, und die Bewertung des Franken hat sich gegenüber dem Euro erhöht. Allerdings halten die Experten der Zürcher Kantonalbank den Franken nach wie vor nicht für deutlich überbewertet. Den fairen Wert basierend auf der Kaufkraftparität gegenüber dem Euro wird zurzeit auf 0.96 geschätzt. Der US Dollar wird hingegen nach wie vor als höher bewertet erachtet.

5. Was heisst das für die Schweizer Exportwirtschaft?

Der Schweizer Franken hat zwar stark aufgewertet, doch die Preise sind im Ausland viel stärker gestiegen als in der Schweiz. Kaufkraftbereinigt hat der Wettbewerbsnachteil für die Schweizer Exportwirtschaft deshalb nicht so stark zugenommen, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Frankenstärke kommt aber zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Die Schweizer Industrie steckt bereits in einer Rezession, und die Frankenaufwertung bringt den für sie wichtigen Exporten zusätzlichen Gegenwind. Es überrascht daher nicht, dass die Wirtschaft die Frankenstärke nun vermehrt kommentiert.

6. Wie wird die SNB reagieren?

Angesichts der jüngsten Frankenaufwertung und der insgesamt verminderten Inflationsrisiken glauben die Experten nicht, dass die SNB vom jetzigen Niveau aus den Franken zusätzlich stützen will. Sie gehen vorerst von einer neutraleren Interventionspolitik aus, wie sie die SNB anlässlich ihrer vierteljährlichen Lagebeurteilung im Dezember in Aussicht gestellt hat. In einem ersten Schritt verzichtet die SNB auf Devisenverkäufe. Die Experten der Zürcher Kantonalbank rechnen indes nicht mit einem überschnellen Richtungswechsel der Nationalbank, da der Franken nicht deutlich überbewertet ist und die Inflationsrisiken für die SNB noch nicht gänzlich verschwunden sein dürften. Wird der Franken kaufkraftbereinigt allerdings noch stärker, könnte sie wieder beginnen, gezielt Devisen zu kaufen, um den Franken zu schwächen.

7. Was sind die Aussichten für den Franken?

Das gute Abschneiden des Frankens in den letzten 12 bis 24 Monaten reduziert sein weiteres Aufwertungspotenzial. Zudem wird künftig die Unterstützung durch die Devisenverkäufe der SNB fehlen. Und nach dem starken Lauf ist kurzfristig eine Gegenbewegung nicht auszuschliessen. Das getrübte Konjunkturbild in den übrigen Industriestaaten zu Beginn des Jahres und der abnehmende Zinsrückstand sollten 2024 den Franken allerdings stützen. Langfristig wird die Schweizer Währung weiterhin von einer strukturell tieferen Inflation in der Schweiz profitieren.