SNB entscheidet sich für weitere Lockerung
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat an ihrer heutigen geldpolitischen Lagebeurteilung beschlossen, den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,25 Prozent zu senken. Sichtguthaben der Banken werden bis zu einer bestimmten Limite zum SNB-Leitzins verzinst. Über dieser Limite gilt neu ein Zins von 0,75 Prozent (bisher 1,00 Prozent). Lesen Sie die Einschätzung von Chefökonom Schweiz, David Marmet.
Text: David Marmet
Ob der Entscheid des SNB-Direktoriums einstimmig gefällt wurde, lässt sich von aussen nicht feststellen. Alles andere als einstimmig waren im Vorfeld des Zinsentscheids indes die Meinungen der Ökonomen und Finanzmarktteilnehmenden. Bis vor Kurzem ging die Mehrheit davon aus, dass die SNB aufgrund des schwächeren Frankens und vor allem aufgrund ihrer eigenen Inflationsprognose im Juni nicht den nächsten Zinsschritt verkünden würde. Die Europawahlen und ihre Folgen, sprich die vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich und die damit im Zusammenhang stehende Aufwertung des Schweizer Frankens, führten zu einem Stimmungsumschwung. In den letzten Tagen wurde an den Finanzmärkten wieder eine Zinssenkung eingepreist
Probleme bei der Inflationsprognose
Der zugrundeliegende Inflationsdruck sei gegenüber dem Vorquartal erneut gesunken, so die SNB. Es zeigt sich also ein weiteres Mal, dass die Inflationsmodelle der SNB die tatsächliche Inflation in den letzten Quartalen systematisch überschätzt haben. Zwar hat sich ihre aktuelle Inflationsprognose gegenüber der letzten geldpolitischen Lagebeurteilung kaum verändert, allerdings ist die SNB-Prognose bedingter Natur, das heisst der aktuelle Zinssatz gilt für den gesamten Prognosehorizont. Ohne die heute beschlossene Zinssenkung läge sie tiefer. Folgerichtig hat sich die Schweizerische Nationalbank dazu entschieden, den Leitzins erneut zu senken. Die Inflation dürfte sich gemäss neuer SNB-Prognose über die nächsten drei Jahre innerhalb von 1,0 bis 1,5 Prozent bewegen.
Relativ pessimistisches Konjunkturbild
Zu erstaunen vermag die Zinssenkung unter dem Gesichtspunkt, dass sich der konjunkturelle Ausblick zuletzt aufgehellt hat, und zwar sowohl für die Schweiz als auch für das Ausland. Die meisten Institute haben in letzter Zeit ihre BIP-Prognosen nach oben revidiert. Nicht aber die SNB. Sie geht weiterhin davon aus, dass die Schweizer Wirtschaft in diesem Jahr rund 1 Prozent wachsen wird. Sorgen bereiten ihr auch die geopolitische Gemengelage. Denn noch vor drei Monaten hiess es, die «konjunkturelle Entwicklung im Ausland» sei das Hauptrisiko. Nun heisst es, das Hauptrisiko seien die «Entwicklungen im Ausland». Wie Thomas Jordan an der Pressekonferenz ausführte, erstarkte der Schweizer Franken zuletzt aufgrund der politischen Folgen der Europawahlen. Auffallend ist zudem, dass im Gegensatz zu den letzten Jahren der Immobilienmarkt in der Pressemitteilung nur am Rande erwähnt wird und aktuell nicht als Argu-mentarium für den Zinsentscheid dient.
Aussichten: Stehen weitere Zinssenkungen an?
Ein Zinssatz von 1,25 Prozent dürfte weder bremsend noch stimulierend auf die Wirtschaftsaktivität wirken. Das wiederum heisst, dass sich der zukünftige Zinssenkungsbedarf in Grenzen hält. In den kommenden Monaten werden wohl grosse Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank (Fed) ihre Leitzinsen senken. Dadurch wird die Zinsdifferenz zur Schweiz wieder kleiner und der Schweizer Franken in der Tendenz stärker. Heisst das nun, dass die SNB auch im September wieder vorprescht? Dies hängt stark von der Entwicklung des Schweizer Frankens in den nächsten Monaten ab. Angesichts der konjunkturellen Aussichten und der SNB-Inflationsprognose sind weitere Zinssenkungen nur schwer zu rechtfertigen. Sollte sich also der Schweizer Franken in den nächsten Monaten nicht markant aufwerten, gehen wir von einem unveränderten Leitzins bis Jahresende aus. Die Aussagen des SNB-Direktoriums an der heutigen Pressekonferenz bestärken uns in dieser Meinung.
Auswirkung auf die Anlagenpositionierung
Bereits nach den jüngsten Europawahlen und spätestens mit der Ankündigung der Neuwahlen in Frankreich hatte der Schweizerfranken gegenüber dem Euro aufgewertet und die Renditen von Anleihen der Eidgenossenschaft hatten nachgegeben. Der heutige Entscheid der SNB kommt für die Finanzmärkte nicht ganz überraschend und entsprechend überschaubar waren die Reaktionen am Finanzmarkt. Der Schweizerfranken gab gegenüber den Hauptwährungen etwas nach und die Renditen der Eidgenossen tendierten weiterhin tiefer. Der Aktienmarkt reagiert allerdings nicht euphorisch auf die Zinssenkung. Einerseits weil diese nicht unerwartet kam und andererseits, weil die SNB die Konjunkturentwicklung etwas kritischer einschätzt als die Allgemeinheit der Marktteilnehmenden. In unserer Vermögensver-waltung sind wir bei Schweizer Aktien und jenen aus der Eurozone übergewichtet positioniert. Demgegenüber haben wir Schweizer Obligationen eine untergewichtete und bei Obligationen der Eurozone eine neutrale Positionierung. Auf Stufe Gesamtportfolio sind währungstechnisch sowohl der Schweizer Franken als auch der Euro leicht übergewichtet. Allfällige Anpassungen der taktischen Positionierung werden im nächsten ordentlichen Investment Board bestimmt.