Chinesische Elektro­autos als Streitpunkt

Nachdem die USA im Mai 2024 die Zölle auf chinesische Elektroautos angehoben haben, zieht nun auch die Europäische Union nach. Die hohen Subventionen von Elektroautos in China sorgen für Ärger und es stellt sich die Frage, ob China mit fairen Mitteln agiert. Lesen Sie die Einschätzung von Nachhaltigkeitsökonomin Silke Humbert.

Text: Silke Humbert

«Waren günstige Produkte aus China noch vor einigen Jahren im Westen sehr willkommen, werden sie heute aufgrund der Konkurrenzierung heimischer Industrien bekämpft», sagte Silke Humbert. (Quelle: Getty Images)

Auf den Banden der kürzlich stattgefundenen europäischen Fussball-EM sah man immer wieder das Logo des chinesischen Elektrofahrzeugherstellers BYD. Doch wirklich willkommen sind dessen Fahrzeuge nicht.

Nachdem die USA schon im Mai die Zölle für chinesische Elektroautos von 25 auf 100 Prozent angehoben haben, zieht jetzt auch die Europäische Union nach. Sie hebt die Zolltarife für chinesische Elektroautos von 10 auf 20 Prozent oder gar bis 40 Prozent (je nach Hersteller) an.

Bislang wurden aber nur wenig chinesische Elektrofahrzeuge nach Europa oder in die USA verkauft. In der EU liegt der Anteil bei etwa 7 Prozent, in den USA ist er noch deutlich tiefer. Warum also die ganze Aufregung?

Das Drehbuch aus Sicht der EU

Margrethe Vestager, die EU-Kommissarin für Wettbewerb, spricht klare Worte. Sie vergleicht Chinas Strategie zur Erreichung wirtschaftlicher Stärke mit einem Drehbuch, das sich unlauterer Mittel bedient. Exakt nach diesem Drehbuch sei China schon Jahre zuvor in der Solarpanelindustrie vorgegangen: massive staatliche Subventionen der heimischen Industrie bei gleichzeitigem Ausschluss ausländischer Anbieter für den heimischen Markt. Mit der Folge, dass westliche Hersteller massenweise Konkurs gingen und heute nur etwa 3 Prozent der in der EU installierten Solarpanels in der EU produziert werden. Vestager warnt, dass dieser Modus Operandi nun auch bei anderen Industrien zum Einsatz komme. Auch US-Präsident Joe Biden äussert sich deutlich: Was China betreibe, sei kein Wettbewerb, sondern Betrug.

Welche unlauteren Mittel?

Welche Art von Subventionen werfen die EU und USA den Chinesen vor? Die Industriesubventionen setzen an unterschiedlichen Stellen an:
 

  1. Subventionen an Konsumenten: Der Kauf von Elektroautos wird in China staatlich stark gefördert. Bis 2022 wurde über die Hälfte des Kaufpreises für Elektroautos subventioniert.
  2. Subventionen an Hersteller: Diese haben dazu geführt, dass in China neue Hersteller von Elektrofahrzeugen wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Aktuell gibt es 127 chinesische Hersteller.
  3. Infrastruktur: China hat eine flächendeckende Ladeinfrastruktur enorm gefördert. Es gibt dort zum Beispiel mehr als zehnmal so viele ultra-schnelle Ladestationen wie in ganz Europa.

Gerade die USA greifen in jüngster Zeit mit dem Inflation Reduction Act auch zur Industrieförderung, und staatliche Prämien beim Kauf eines Elektroautos sind auch in Europa hinlänglich angewandt worden. Die Frage ist daher: Gehören die chinesischen Subventionen zum internationalen «Courant Normal» oder sind sie tatsächlich stark wettbewerbsverzerrend?

Die Zahlen stützen Chinas Drehbuch

Die Zahlen lassen keinen Zweifel zu. China ist mit Abstand das Land, das am häufigsten Gebrauch von Industrie­subventionen macht (vgl. Grafik). Über viele Jahre wurde jedes Elektrofahrzeug in China sogar mit über USD 10'000 gefördert.

Industriesubventionen in ausgewählten Ländern im 2019

Grafische Übersicht der Industriesubventionen in ausgewählten Ländern im Jahr 2019
Quellen: Zürcher Kantonalbank, Center for Strategic & International Studies

Die Zeiten haben sich jedoch geändert. Waren günstige Produkte aus China noch vor einigen Jahren im Westen sehr willkommen, werden sie heute aufgrund der Konkurrenzierung heimischer Industrien und der einhergehenden neuen geostrategischen Abhängigkeit bekämpft. Es bleibt abzuwarten, welche Antwort Chinas Drehbuch für den unterkühlten Empfang seiner automobilen Exportgüter vorsieht.

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