«Nachhaltigkeit muss ein integraler Bestand­teil der Vermögens­verwaltung sein»

Es benötige die Anstrengungen von Wirtschaft, Politik sowie Konsumentinnen und Konsumenten, um den Treibhausgas-Ausstoss effektiv zu senken und nachhaltige Anlagen zu fördern, erklärt Iwan Deplazes, Leiter Asset Management der Zürcher Kantonalbank.

Interview mit Iwan Deplazes

«Unsere Klimastrategie sieht vor, dass wir den CO2-Ausstoss in jedem aktiv verwalteten Fonds um jährlich mindestens 4 Prozent senken», sagt Iwan Deplazes, Leiter Asset Management Zürcher Kantonalbank.

Nachhaltigkeit und Vermögensverwaltung – geht das überhaupt zusammen?

Iwan Deplazes: Ja! Ich gehe sogar einen Schritt weiter und sage, die beiden Themen lassen sich gar nicht voneinander trennen.

Das müssen Sie erklären.

Nachhaltigkeit umfasst viele Aspekte. Die inzwischen geläufige Abkürzung ESG – E für Environment, S für Social und G für Governance, sprich gute Unternehmungs-führung – ist lediglich ein Teil davon. Nehmen wir beispielsweise die Altersvorsorge. Diese muss im doppelten Sinne nachhaltig sein. Zum einen benötigen Anlegerinnen und Anleger gute Renditen, um über ein abgesichertes Einkommen im Alter zu verfügen. Zum anderen muss Nachhaltigkeit ein integraler Bestandteil der Vermögensverwaltung sein.

Welche Ansätze verfolgt die Zürcher Kantonalbank, um Nachhaltigkeit zu garantieren?

Das Asset Management der Zürcher Kantonalbank berücksichtigt bei jedem Anlage-entscheid die sogenannte ESG-Integration und analysiert dabei, wie Firmen und Staaten bezüglich der Nachhaltigkeitskriterien abschneiden. Wir wägen damit ab, ob und wenn überhaupt, wie stark wir uns engagieren. Die Allokation von Mitteln an sich ist schon ein starkes Signal. Wir haben dabei immer das gesamte Portfolio im Blick. Konkret heisst das: Firmen mit einem vergleichsweise hohen CO2-Ausstoss, die aber gleichzeitig gute Fortschritte bei dessen Senkung zeigen, schliessen wir als Investitionsobjekte nicht grundsätzlich aus.

«Allein auf dem Bein der Ausschlüsse kann eine nachhaltige Anlagestrategie nicht stehen.»

Sie sehen also kein Problem darin, wenn ein Zementhersteller in einem nachhaltigen Anlageprodukt figuriert?

Unternehmen aufgrund ihrer Branche oder Produkte auszuschliessen, ist eines der schwächsten Instrumente bei nachhaltigen Anlagen. Damit verbaut man sich eine positive Einflussnahme auf das Verhalten der Firma. Deshalb: Ja, wir investieren in Holcim, weil das Unternehmen ambitionierte Ziele hat, umweltfreundlicher zu produzieren – und diese bisher auch erfüllt.

Gibt es Firmen, die Sie aus Prinzip ausschliessen?

Ja. Wir orientieren uns an der Blacklist des Schweizer Vereins für verantwortungs-bewusste Kapitalanlagen. Darauf figurieren rund 25 Unternehmen, die gegen Schweizer Gesetze und internationale Konventionen verstossen, beispielsweise Hersteller von geächteten Waffen wie Streubomben. Allein auf dem Bein der Ausschlüsse kann eine nachhaltige Anlagestrategie jedoch nicht stehen. Uns ist es wichtig, einen aktiven Dialog mit den Firmen zu führen, in die wir investiert sind, um Verbesserungen punkto Nachhaltigkeit zu erzielen.

Wie tun Sie das?

Wir fördern eine nachhaltige Ausrichtung, indem wir Verbesserungen anregen und diese mit der Ausübung unserer Stimmrechte einfordern. Inhaltlich halten wir uns dabei an die Nachhaltigkeitsprinzipien der Vereinten Nationen. Im Fachjargon nennt man das Investment Stewardship. Diese nachhaltige Strategie erscheint vielleicht nicht so stark wie ein Ausschluss. Sie kann aber viel mehr bewirken. Und wir sind dabei nicht allein. Die Asset-Management-Industrie bündelt ihre Power der Kapital-allokation im Sinne der Klimaziele zunehmend, zum Beispiel in der Net Zero Asset Managers Initiative, bei der das Asset Management der Zürcher Kantonalbank Mitglied ist.

Welche weiteren Ansätze für nachhaltiges Investment gibt es?

Wir bieten auch thematische Investments an, etwa Fonds im Bereich Dekarbonisie-rung, Klima und Wasser. Der Themenfonds «Wasser» zum Beispiel legt in Firmen an, die einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Problem der Wasserknappheit zu lösen und unsere Wasserversorgung sicherzustellen.

Die Zürcher Kantonalbank unterscheidet bei den nachhaltigen Fonds zwischen Sustainable Fonds –
mit einer engeren Auswahl von Titeln – und Responsible Fonds, deren Auswahl etwas weiter gefasst ist. Wieso diese Abstufung, ist nachhaltig nicht gleich nachhaltig?

Beide Produktlinien investieren nachhaltig. Die aktiven Anlagefonds reduzieren den CO2-Ausstoss entlang des 2-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens und wenden systematisch Nachhaltigkeitsansätze wie ESG-Integration, Investment Stewardship und Ausschlüsse an. Die Sustainable-Produkte gehen einen Schritt weiter und berücksichtigen den positiven Nutzen der Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft gemäss den von der Uno definierten 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung. Die Frage lautet jedoch: Wollen wir lediglich bereits nachhaltige Firmen und Staaten fördern?

Was spricht dagegen?

Es könnte keine Transition stattfinden von Unternehmen, deren Produkte zwar heute noch nicht klimafreundlich sind, die sich jedoch Klimaziele gesteckt haben und diese nachweisbar verfolgen. Dieser Wandel will finanziert sein. Wie eben bei Holcim oder beispielsweise bei einem Autohersteller wie BMW, der zwar nicht wie Tesla explizit auf Elektrofahrzeuge setzt, aber energieeffizienter arbeitet als Tesla.

«Schon unser Reduktionsziel von 4 Prozent ist sehr ambitioniert.»

Wie kontrollieren Sie, dass die Firmen auf ihrem Weg hin zur Klimafreundlichkeit nicht stehenbleiben?

Unsere Klimastrategie sieht vor, dass wir den CO2-Ausstoss in jedem aktiv verwalte-ten Fonds um jährlich mindestens 4 Prozent senken. Dazu führen wir einen aktiven Dialog mit den Unternehmen, dass sie wirksame CO2-Reduktionsziele formulieren und umsetzen. Das uns zur Verfügung gestellte Kapital der Anlegerschaft allozieren wir gezielt in solche Unternehmen.

Das Pariser Klimaabkommen verankert das Ziel, die Erderwärmung auf maximal 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen. Wieso verfolgen Sie nicht ausdrücklich das ambitioniertere Ziel von 1,5 Grad?

Das tun wir bei ausgewählten Fonds unserer Sustainable-Produkte durchaus! Bei diesen Fonds wird so investiert, dass der jährliche CO2-Ausstoss des Portfolios sogar um 7,5 Prozent pro Jahr sinkt. Eine derart schnelle CO2-Reduktion ist von vielen Industriezweigen und Technologien jedoch kaum zu schaffen. Wir sind realistisch, was die Realwirtschaft liefern kann, und wollen glaubwürdig sein. Schon unser Reduktionsziel von 4 Prozent ist sehr ambitioniert. Anlegerinnen und Anleger investieren so bei unseren aktiv gemanagten Fonds in Portfolios, die mindestens auf dem 4-Prozent-Absenkpfad unterwegs sind.

Wie überprüfen Sie die Zahlen, die die Firmen zu ihrem CO2-Ausstoss vorlegen?

Das ist heute kein Problem mehr, es liegen mittlerweile standardisierte Daten vor. Ab 2024 müssen Firmen auch CO2-Emissionen ihrer Produkte und Dienstleistungen erheben, die in den vor und nachgelagerten Lieferketten entstanden sind. Es handelt sich hierbei um sogenannte Scope-3-Emissionen. Die Qualität der Scope-3-Daten ist derzeit dürftig. Wir betreiben hier viel Aufwand, die Datenqualität zu verbessern, um Investorinnen und Investoren Transparenz zu liefern.

«Die Zürcher Kantonalbank und auch viele andere grössere Finanzinstitutionen stecken enorme Ressourcen ins Thema Nachhaltigkeit.»

Der Bund hat kürzlich das nationale Label Swiss Climate Scores für nachhaltige Finanzinvestitionen lanciert. Was bedeutet das für Sie?

Wir begrüssen die Einführung der Swiss Climate Scores, die Klimaneutralität und den Dialog mit Unternehmen vorsehen. Sie tragen zur Transparenz und Vergleichbarkeit bei. Das hilft den Anlegerinnen und Anlegern, sich bei den vielen nachhaltigen Finanzprodukten zurechtzufinden und bessere Anlageentscheide zu fällen. In unserem Asset Management fliessen die wesentlichen Kennzahlen bereits integral in den Anlageprozess ein. Die Umsetzung des entsprechenden Reportings nach den Swiss Climate Scores prüfen wir, sobald sämtliche Kennzahlen aus den sechs Teil-bereichen definiert wurden.

Papier ist geduldig. Wie wird sichergestellt, dass es nicht bei einem Lippenbekenntnis bleibt?

Die Zürcher Kantonalbank und auch viele andere grössere Finanzinstitutionen stecken enorme Ressourcen ins Thema Nachhaltigkeit. Wir haben unser eigenes Team von Spezialistinnen und Spezialisten und bauen dieses laufend aus, um das Knowhow zu vertiefen.

Greenwashing sehen Sie nicht?

Greenwashing mag vorkommen in der Branche, etwa bei Finanzinstituten, die externe Ratings und Indices verwenden oder einfach nur auf das Ausschlussverfahren setzen. Das ist aber die Ausnahme. Die Kritik ist aber heute so gross, dass man schon fast von einem «Greenbashing» sprechen muss.

«Der Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Rendite ist in der Regel positiv.»

Was raten Sie einem Kleinanleger, der mit einem guten Gefühl in nachhaltige Anlagen investieren möchte?

Ein guter Ansatz ist, Investitionsthemen zu definieren, die einem persönlich wichtig sind. Hier kann ein Beratungsgespräch sinnvoll sein. Wichtig sind zudem, wie bei konventionellen Anlagen auch, die Komponenten Risikobereitschaft und Rendite-erwartungen in die Anlageentscheide aufzunehmen. Kleinanleger können beispielsweise einfach über Strategiefonds entlang ihrer Nachhaltigkeitspräferenz
investieren.

Früher hiess es, nachhaltig Investieren bedeute, auf Rendite zu verzichten. Stimmt das weiterhin?

Nein, das Gegenteil ist korrekt. Der Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Rendite ist in der Regel positiv. Dies belegen mittlerweile diverse Studien.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Weltgemeinschaft – inklusive der globalen Finanzindustrie – effektiv nachhaltig wird?

Die Transformation ist im Gange. Die Finanzindustrie und das Asset Management treiben die ESG-Themen mit Hochdruck voran. Es geht in die richtige Richtung. Aber allein können wir nicht alles richten. Es wird Anstrengungen von uns allen bedingen. Es braucht die Realwirtschaft, die Unternehmen, die den CO2-Ausstoss verringern, die Politik, die verbindliche Standards setzt, sowie jede Einzelne und jeden Einzelnen, die beziehungsweise der nachhaltig investiert und konsumiert. Für Nachhaltigkeit müssen alle am gleichen Strang ziehen. Wir sind auf einem guten Weg. Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob wir den CO2 Ausstoss global schnell genug runterbringen, um das 2-Grad-Ziel noch zu erreichen.


Dieses Interview erschien erstmals am 9. September 2022 in der Beilage «Vermögensverwaltung» der Neuen Zürcher Zeitung.

Unsere nachhaltigen Anlagen

Das Nachhaltigkeitsprodukteangebot des Asset Managements umfasst zwei Produktlinien, in denen unterschiedliche Nachhaltigkeitsansätze angewendet werden. Die Produktlinie «Responsible» beinhaltet für die traditionellen Anlageklassen standardmässig die Anwendung von Ausschlusskriterien, die systematische ESG-Analyse als integralem Bestandteil des Anlageprozesses sowie eine Reduktion der CO2e-Intensität der Anlagen. Die Produktlinie «Sustainable» umfasst neben den vorgenannten Ansätzen die Anwendung noch umfangreicherer Ausschlüsse und investiert zudem in SDG Leader oder ESG Leader (Sustainable Purpose).