«Unsere Investments in Start-ups stärken die Wettbewerbskraft»
Gemäss einer Studie des Europäischen Patentamts ist die Zürcher Kantonalbank eine der aktivsten Investorinnen in Start-ups in Europa. Wir sprechen mit Michelle Tschumi, Leiterin Start-up Finance bei der Zürcher Kantonalbank und Jurymitglied beim ZKB Pionierpreis Technopark, und Yves Becker, Investment Manager bei der Zürcher Kantonalbank.
Text: Simone Wyder / Bilder: Simon Baumann
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Welche Rolle spielt die Zürcher Kantonalbank in der Schweizer Start-up-Szene?
Michelle Tschumi: Eine wichtige Rolle und deshalb freut es uns sehr, dass die ZKB in der Studie des Europäischen Patentamts erwähnt wird. Das bestätigt unsere Eigenwahrnehmung. Kurz zurückgeblickt: Seit 2005 sind wir sehr aktiv in der Schweizer Start-up-Szene unterwegs und arbeiten eng mit Investoren, Industriepartnern und Hochschulen zusammen. Nebst unserer Investmenttätigkeit halten wir seitdem Vorlesungen, organisieren Veranstaltungen und nehmen an Konferenzen teil. Ein wichtiger Pfeiler unseres gesetzlichen Leistungsauftrags ist die Stärkung der hiesigen Wettbewerbskraft. Indem wir also junge, dynamische und erfinderische Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützen, leisten wir einen entscheidenden Beitrag zur Innovationskraft des Kantons.
Yves Becker: Wir suchen nach technologischen Innovationen, die relevante Probleme angehen, für die es noch keine oder nur unbefriedigende Lösungen gibt. Bestenfalls gelingt uns beides: Wir ermöglichen den technischen Fortschritt und schaffen Arbeitsplätze. Wir investieren jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag, was uns zu einer der aktivsten Förderinnen von Schweizer Jungunternehmen macht. Momentan umfasst unser Portfolio über 180 Start-ups aus der gesamten Schweiz, breit diversifiziert über alle Wirtschaftszweige hinweg. Diese Zahlen untermauern die Wichtigkeit der Zürcher Kantonalbank für das hiesige Start-up-Ökosystem. Entsprechend freut es uns natürlich, dass unsere Aktivitäten auch dem Europäischen Patentamt nicht entgangen sind.
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Welche Herausforderungen und Chancen bot das Jahr 2024 für Start-ups?
Michelle Tschumi: Das Finanzierungsumfeld in der Schweiz war letztes Jahr erneut herausfordernd. Geopolitische Unsicherheiten und ein volatiles Zinsumfeld führten dazu, dass diverse Start-ups Mühe hatten, Kapital aufzunehmen. Erschwerend kam hinzu, dass die Laufzeiten vieler Venture-Capital-Fonds sich dem Ende zuneigten, was nicht förderlich für die Investitionstätigkeit war. Auch war es in den letzten Jahren schwierig, gute strategische Käufer zu finden, und Börsengänge waren selten. Limitierte Exit-Opportunitäten machen die Anlageklasse weniger attraktiv für Neuinvestoren, was einen direkten Einfluss auf das Investitionsvolumen hat. Doch für uns verlief das vergangene Jahr durchaus positiv – wir haben rund 600 Start-ups geprüft und in rund ein Dutzend davon erstmalig investiert. Zudem haben wir an über 40 Finanzierungsrunden von bestehenden Portfolio-Start-ups teilgenommen. Wir konnten also trotz rauem Umfeld unserem Leistungsauftrag gerecht werden. Das macht uns stolz.
Yves Becker: Die von Michelle erwähnten Zahlen zeigen, dass viele Start-ups kurzfristige Überbrückungsrunden durchführen mussten – so schwierig war das Umfeld. Als faire und langfristige Investorin stehen wir unseren Start-ups natürlich auch in schwierigen Zeiten zur Seite, was ein wichtiger Pfeiler für den zukünftigen Erfolg ist. Übrigens: Schweizer Start-ups sind zu etwa 75 Prozent durch ausländisches Kapital finanziert. Darum können wir uns in der Schweiz auch den geo- und finanzpolitischen Kapriolen nicht entziehen.
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Wie haben sich die Investitionen der ZKB in Start-ups im Jahr 2024 entwickelt? Welche besonderen Meilensteine und Erfolge gab es?
Michelle Tschumi: Besonders stolz sind wir auf drei Exits – kurz erklärt: Ein Exit ist der Verkauf eines Start-ups durch Gründer oder Investoren, häufig an grössere Unternehmen oder durch Börsengang, die für alle Beteiligten einen gewinnbringenden Abschluss einer spannenden und langjährigen Reise ermöglichen. Diese Erfolge sind für uns als Investorin aber nicht nur finanziell wichtig, sondern sie dienen auch der öffentlichen Wahrnehmung unserer Marke und unseres Leistungsversprechens. Als Universalbank bieten wir ein umfassendes Dienstleistungsangebot für Jungunternehmen. Wir unterstützen sie bei der Gründung, stellen Start-, Wachstums- und Investitionskapital zur Verfügung und begleiten sie eng bis zu einem erfolgreichen Exit und darüber hinaus. Wir sind aus Bankensicht also quasi ein «One-Stop-Shop» für Start-ups, was ein attraktives Angebot für das Ökosystem darstellt und in der Schweiz in der Form einzigartig ist.
Yves Becker: Aber nicht nur Exits sind für uns Erfolge, sondern jede Neuinvestition. Wie eingangs erläutert, durchlaufen die Start-ups einen sehr selektiven Auswahlprozess. Im Rahmen der Due Diligence werden sie auf Herz und Nieren überprüft und wir lernen das Gründerteam jeweils sehr gut und auf einer persönlichen Ebene kennen. Entsprechend ist jedes Initialinvestment etwas Besonderes für uns. Ebenso als Erfolg erwähnen möchte ich unsere Veranstaltungen, die wir jedes Jahr für die Community organisieren. So zum Beispiel unseren Get2gether-Event, den wir letztes Jahr erstmalig organisiert haben. Auf Anhieb konnten wir über 100 Akteurinnen und Akteure des Ökosystems zusammenbringen. Es war ein spannender Austausch.
Michelle Tschumi, Sie sind Jurymitglied beim ZKB Pionierpreis Technopark. Welche Rolle spielen Innovationspreise wie dieser in der Schweizer Start-up-Szene?
Michelle Tschumi: Innovationspreise wie der ZKB Pionierpreis Technopark verleihen Start-ups die nötige Sichtbarkeit. Ein Gewinn oder auch nur schon eine Platzierung in den Top Ten bringt sofortige Präsenz im Ökosystem und in den Medien. Weiter wirken diese Preise als Gütesiegel und helfen den Start-ups, die nötigen Investoren, Kunden und Partner zu finden. Zudem erhalten die Start-ups eine hohe Summe an Preisgeld, ohne Unternehmensanteile abgeben zu müssen.
Yves Becker: Ergänzend: Diese Preise sind auch wertvoll für Start-ups, die es nicht in die finale Runde schaffen. Sie erhalten in der Bewerbungsphase direktes Feedback von einer relevanten und breit abgestützten Fachjury. Dies hilft, Schwachstellen zu erkennen und sich zu verbessern. Wir können also jedes Start-up nur ermutigen, sich für Programme wie den ZKB Pionierpreis Technopark zu bewerben.
Michelle Tschumi: Absolut! Es ist immer wieder schön zu sehen, wie Start-ups, für die es letztes Jahr noch nicht ganz gereicht hat, enorme Fortschritte machen und jedes Jahr etwas weiterkommen. Auch dieses Jahr hatten wir wieder einige Start-ups, für die eine Nominierung noch zu früh war, die aber eine vielversprechende Pionierleistung zeigten.
Wie schätzen Sie das Umfeld für Start-ups im Jahr 2025 ein? Welche Trends und Entwicklungen erwarten Sie?
Yves Becker: Trotz einiger schwieriger globaler Faktoren gibt es Gründe für Optimismus, besonders in der Schweiz. Sinkende Zinsen machen diese Anlageklasse wieder attraktiver, die Refinanzierung wird einfacher und die Investorenzuversicht steigt. Wir erwarten dieses Jahr wieder viele Neugründungen von spannenden Start-ups, viele davon als Spin-off von den Hochschulen. Wir sind optimistisch, dass wir wieder an vielen Runden teilnehmen und ein Volumen von 20 bis 25 Millionen Franken investieren können.
Michelle Tschumi: Wir fördern jedoch nicht nur Start-ups von Hochschulen, sondern auch solche von Fachpersonen, die mit ihrer Arbeitserfahrung relevante Probleme identifizieren und eine neue Lösung dafür entwickeln. Beide Ansätze sind für die Innovationskraft der Schweiz wichtig. Wir analysieren laufend übergeordnete Trends und technologische Innovationen und konzentrieren uns nicht nur auf eine Fachrichtung. So bleiben wir eine branchenunabhängige Investorin, die in allen Industrien aktiv ist.
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Welche strategischen Ziele und Initiativen verfolgt die ZKB im Bereich Start-up-Finance für die kommenden Jahre?
Michelle Tschumi: Wir werden eine der aktivsten Investorinnen in der Schweiz bleiben, weiter Innovation fördern und Arbeitsplätze schaffen. Wie wir bereits vorgängig erläutert haben, geht unser Mehrwert für Start-ups über die rein finanzielle Investition hinaus. Diese vernetzende Rolle im Ökosystem möchten und werden wir im laufenden Jahr weiter stärken.
Yves Becker: Ein vermehrter Fokus wird auch auf der Messung der Nachhaltigkeit und der gesellschaftlichen Auswirkungen unserer Investitionen liegen. Im Rahmen eines selbstentwickelten Impact Frameworks überwachen und sammeln wir diverse Daten und Faktoren, die uns beim Erreichen der Nachhaltigkeitsziele unseres Teams und der Bank unterstützen.
Michelle Tschumi: Genau, wir möchten als Investorin im Bereich Nachhaltigkeit sichtbarer werden. Daneben werden wir auch an unseren bisherigen Initiativen festhalten. Unsere Bank bietet Start-ups einzigartige Vorteile, wie kostenlose Arbeitsplätze im Büro Züri Innovationspark und verschiedene Sponsorings in der Startphase des Unternehmertums. Auch privat bieten sich unseren Pionierinnen und Pionieren viele Chancen. Sie haben die Möglichkeit, exklusiv vom Private Banking betreut zu werden und sich untereinander zu vernetzen.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit anderen Investoren, Institutionen und Netzwerken für die ZKB – und können Sie bitte Beispiele für erfolgreiche Kooperationen nennen?
Michelle Tschumi: Die Vernetzung ist für uns sehr wichtig und wir arbeiten täglich daran, das Netzwerk zu pflegen und neue Kooperationen abzuschliessen. 2024 konnten wir eine neue Partnerschaft mit der Stadt Zürich im Rahmen des Förderprogramms KlimUp eingehen. Darin fördern wir frühphasige Start-ups, die Netto-Null-Ziele unterstützen. Wir haben auch neue Partnerschaften mit Universitäten wie der EPFL geschlossen.
Yves Becker: Wir pflegen Kontakte zielgerichtet und aktiv. Bei Investitionen sitzen wir immer mit anderen Investoren im gleichen Boot und ein regelmässiger Austausch ist entscheidend, sei es für das Deal-Sourcing oder die Weiterentwicklung eines Portfolio-Start-ups.
Michelle Tschumi: Ein relevanter Partner sind unsere Kolleginnen und Kollegen von Swisscanto. Mit dem Wachstumsfonds und dem Dekarbonisierungsfonds können wir Start-ups eine langfristige Perspektive bieten. Wie ausgeführt, begleiten wir Unternehmen in allen Phasen als eine verlässliche Partnerin. Das ist die Zürcher Kantonalbank.
Über den ZKB Pionierpreis Technopark
Der ZKB Pionierpreis Technopark ist mit einem Preisgeld von 100'000 Franken dotiert und wird seit 2001 jedes Jahr von der Zürcher Kantonalbank und dem Technopark Zürich verliehen. Er zählt zu den wichtigsten Innovationspreisen der Schweiz. Die Auszeichnung für Deep-Tech-Start-ups prämiert Projekte am Übergang von der innovativen Idee zur Marktreife und würdigt das Engagement und die Risikobereitschaft von Start-up-Gründern. Mit dem Engagement leistet die Zürcher Kantonalbank einen Beitrag zur Stärkung der Jungunternehmerkultur und zur Innovationsförderung im Kanton Zürich.
Nach intensiver Prüfung durch die neunköpfige Jury aus Expertinnen und Experten der Bereiche Physik, Medizinaltechnik, Informatik, Chemie und Wirtschaft wurden kürzlich die Top 13 Start-ups für die nächste Runde ausgewählt.
Alle Informationen zu den Nominierten und zum ZKB Pionierpreis Technopark.