KI im Banking – bald zwingend für den Erfolg?

Der Finanzsektor ist einer der Bereiche der Weltwirtschaft, der über die meisten Daten verfügt. Die Fähigkeit, diese riesigen Datenmengen effektiv zu nutzen, verspricht erhebliche Wettbewerbsvorteile. Doch welche Voraussetzungen sind nötig, um das volle Potenzial des Datenbergs auszuschöpfen? Sonja Huclova und Stefan Fröhlich haben die Antworten.

Interview mit: Sonja Huclova und Stefan Fröhlich

«Die Existenz einer zentralen KI-Fachstelle ist natürlich von Vorteil» (Quelle: iStock.com)

Stefan, welche Daten gibt es in der Finanzbranche, und wie können sie genutzt werden?

Sie reichen von Kundeninformationen und Transaktions- über Marktdaten bis hin zu makroökonomischen Indikatoren und Sozialen Medien. Die Integration und Analyse dieser Daten können Banken und Finanzdienstleister dabei unterstützen, tiefere Einblicke in das Kundenverhalten zu gewinnen, datenbasierte Vorhersagen zu erstellen, Risiken besser zu managen und Marktchancen effizienter zu identifizieren.

Viel Hoffnung ruht dabei auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Welche Anwendungsbereiche gibt es spezifisch im Asset Management?

Pro Unternehmen stehen Hunderte Kennzahlen zur Verfügung, welche die Börsenkurse beeinflussen können. Durch eine geschickte Aufbereitung dieser Datenmengen können Machine-Learning-Modelle selbstständig Muster erkennen und verborgene Zusammenhänge zwischen Unternehmenskennzahlen und zukünftigen Renditen aufdecken. Auf diese Weise lassen sich tägliche Prognosen für die Kursentwicklung von Aktien weltweit ableiten. Diese Vorhersagen können anschliessend mittels eines ausgeklügelten Portfoliokonstruktions-Prozesses in Fonds und Mandate umgesetzt werden. Das Asset Management der Zürcher Kantonalbank verfügt schon seit mehreren Jahren über einen bewährten Machine-Learning-Algorithmus für die Aktienselektion und setzt diesen erfolgreich ein.

Gerade Large Language Models (LLMs) stehen im Rampenlicht. Wo werden sie im Asset Management eingesetzt?

Ein Anwendungsfeld ist die automatisierte Verarbeitung von Nachrichten, Unternehmensberichten und Konferenzgesprächen. So können täglich für jedes Unternehmen Sentiment-Indikatoren abgeleitet werden. Diese zeigen an, ob Nachrichten eine positive oder negative Stimmung widerspiegeln. Diese Sentiment-Indikatoren können als zusätzliche Informationsquelle genutzt werden, um fundierte Anlageentscheidungen zu treffen. LLMs unterstützen Portfoliomanagerinnen und -manager zudem in ihrer Paradedisziplin, nämlich dem Herauspicken preisrelevanter Informationen aus dem Daten-Dickicht. Dabei können speziell trainierte GPTs (Generative Pre-trained Transformers) helfen, Analystenberichte zusammenzufassen und die relevanten Informationen herauszuschälen.

Wie stark ist der Berufsstand der Portfoliomanagerinnen und -manager sowie von Analystinnen und Analysten gefährdet?

Es wird noch etliche Jahre dauern, bis die KI die menschliche Intelligenz in all ihren Facetten wie Argumentieren, visuelle Wahrnehmung oder motorische Fähigkeiten ebenbürtig nachbilden kann. Dennoch bietet KI bereits heute in einigen Bereichen erhebliche Vorteile. Sie kann zum Beispiel riesige Datenmengen in kürzester Zeit analysieren und selbstständig Muster erkennen, die für den Menschen oft unsichtbar bleiben. Die entscheidende Frage lautet: Wie können wir KI geschickt einsetzen, um unsere Arbeit zu unterstützen, bessere Entscheidungen zu treffen und unsere Effizienz zu steigern?

Sonja Huclova, Lead KI-Fachstelle

Sonja hält einen Master in Chemie von der Universität Bern, ein PhD in Elektrotechnik von der ETH Zürich und CAS in Big Data von der BFH. Sie hat bei einem Transportunternehmen als Systemingenieurin sowie als Solution-Spezialistin im Bereich Testsimulation und Testmanagement, sowie als Expertin für IT-Governance-Themen bei einem IT-Dienstleister gearbeitet. Seit 2020 ist sie Teil des Data-Science-Teams der Zürcher Kantonalbank und leitet die KI-Fachstelle.

Stefan Fröhlich, Portfolio Manager Systematic Equities

Stefan ist Aktienfondsmanager und hat verschiedene systematische Strategien entwickelt. Neben Multi-Faktor-Modellen und trendbasierten Behavioral-Finance-Ansätzen beschäftigt er sich seit zehn Jahren intensiv mit KI und deren Anwendung im Asset Management. Zuvor war er als Fondsmanager sowie als Aktienstratege bei GAM und Julius Bär tätig. Stefan studierte Umweltingenieur an der ETH Zürich und hält zudem einen Master in Betriebswissenschaften (MBA) der ETH Zürich. Er ist CIIA (AZEK) zertifiziert.

Kommen wir auf das Banking zurück. Sonja, kann KI auch im Zinsengeschäft eingesetzt werden, etwa bei der Kreditvergabe?

Die Kreditprüfung wird tendenziell komplexer. Ursache hierfür sind unter anderem zunehmende regulatorische Anforderungen an die Institute. Dazu trägt auch die zunehmende Digitalisierung und Rechenleistung bei, weil so potenziell immer mehr Datenpunkte und -quellen in die Kreditprüfung einbezogen werden können. Grosse Datenmengen ermöglichen zwar präzisere Analysen, erfordern jedoch auch komplexere Modelle und in der Regel den Einsatz von KI-Algorithmen. KI-Modelle sollen letzten Endes dazu dienen, den finalen Entscheid der Beraterinnen und Berater datenbasiert zu unterstützen.

Und wie sieht es bei der Schätzung von Immobilienpreisen aus?

Es existieren zahlreiche regelbasierte Modelle, welche viele preissensitive Einflussfaktoren miteinbeziehen. Dazu zählen etwa Faktoren wie Lage, Zustand, geografische Umgebung oder Energieeffizienz. Hinzu kommen äussere Umstände wie Zinslage, Markttrends oder regulatorische Vorgaben wie Umzonungen. Ähnlich wie bei der Kreditvergabe wird auch der Preisschätzungsprozess immer komplexer – mit entsprechendem Potential für KI.

Warum ist es für Banken sinnvoll, eine KI-Abteilung aufzubauen – und wie müsste diese aussehen?

Das optimale Setup für die Umsetzung von KI in Banken beinhaltet mehrere Aspekte. Vereinfacht dargestellt handelt es sich um ein Zusammenspiel aus Infrastruktur, Daten und Menschen. Menschen sollen optimale Bedingungen vorfinden, um die Technologie zu entwickeln, einzusetzen und beherrschen zu können. Dabei gilt es einiges zu beachten.

Was wäre das?

Erstens ist eine geeignete Infrastruktur vonnöten. Sie ermöglicht den Zugriff auf die teilweise sehr grossen und in der Regel verteilten Daten. Dies ist absolut zentral, denn der Mehrwert, den KI als Methode bringen kann, liegt eben in der gleichzeitigen Verarbeitung unterschiedlichster Daten. Nebst der Integrationsfähigkeit sind Funktionalitäten zur optimalen Erstellung von Code ein weiteres wichtiges Element der Infrastruktur. Sowohl mittels Code als auch spezifischen Funktionalitäten wird eine effiziente Datenaufbereitung erst ermöglicht. Eine optimale Infrastruktur beinhaltet schliesslich genügend Rechenleistung für die ressourcenhungrigen KI-Modelle.

Daten sind also nicht gleich Daten?

Saubere Daten sind essenziell, denn KI skaliert auch unzureichende Datenqualität, was sich entsprechend in den Resultaten niederschlägt. Insgesamt soll sie sowohl zentrale Themen unterstützen als auch die Umsetzung in dezentralen Einheiten, also den Fachbereichen der Bank (siehe Grafik unten), ermöglichen.

Bereichsübergreifende Einbettung der KI-Fachstelle in Unternehmen (Quelle: Zürcher Kantonalbank)

Damit ist eine Bank bereits gut aufgestellt?

Die Existenz einer zentralen KI-Fachstelle ist natürlich von Vorteil. Sie unterstützt in KI-Belangen alle Beteiligten im Prozess. Von Consulting bis hin zu Enabling und Awareness für die ganze Bank ist auch die Mitgestaltung bei zentralen Grundlagethemen sinnvoll. Der grosse Mehrwert besteht darin, einen Beitrag dazu zu leisten, übergreifende Themen wie Daten, Architektur, Infrastruktur oder Governance auf eine Linie zu bringen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass unkontrolliert Redundanzen und technische Schulden entstehen, was spätestens längerfristig finanziell sehr aufwendig wird.

Es braucht eine ordnende Hand?

Das klingt etwas zu rigoros – aber ja, eine fragmentierte Landschaft erschwert oder verunmöglicht nicht zuletzt die Auskunftsfähigkeit gegenüber Regulatoren. Wie auch die Infrastruktur, sollte die KI-Fachstelle existierende dezentrale Umsetzungs­organisationen optimal unterstützen und in enger Kooperation mit einem Umsetzungsteam stehen, das für die Business-Bereiche ohne jene spezielle Expertise Aufträge umsetzt. Die effektive Ausprägung einer solchen Fachstelle wird von Bank zu Bank variieren – die Auseinandersetzung mit den genannten Themen ist jedoch allgemeingültig.

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