«Die Bank tut schon sehr viel»
Ich bin Villa Linder von der Zürcher Kantonalbank. Ich habe vier Wochen lang in einer mir fremden Abteilung geführt – die Bank nennt das Projekt Driver Seat. Das ist meine Bilanz.
Text: Markus Wanderl und Villa Linder / Bilder: Flavio Pinton
Wie es zustande gekommen ist
Im letzten Herbst hatte ich einen ersten Driver Seat absolviert, nur zweiwöchig. Er war wegen Corona mehrfach verschoben worden, dann hatte ich im Mai 2021 die Abteilung gewechselt, meinen Job. Weil es eine sehr gute Zeit im Driver Seat gewesen war, wusste ich: gern noch einmal einen vierwöchigen.
Der Driver Seat – kurz erklärt
Die Zürcher Kantonalbank ist sich ihrer Verantwortung als Arbeitgeberin bewusst. Sie sieht in der stärkeren Durchmischung der Geschlechter in Führungspositionen einen Erfolgsfaktor für die Zukunft. Mit der Massnahme Driver Seat, die im 2022 in der ganzen Bank umgesetzt wird, entsteht eine neue Möglichkeit für Frauen, einen Monat lang Führungsluft zu schnuppern. Der Driver Seat richtet sich insbesondere an Frauen, die in den nächsten 2 bis 3 Jahren eine (nächsthöhere) Führungsfunktion übernehmen und den entsprechenden Führungsalltag erleben möchten. Ziele sind, den Frauen einen Einblick in die Führungswelt zu geben, sie zu ermutigen, einen Schritt weiter zu gehen und sich sichtbarer zu machen. 109 Frauen profitieren von dieser Massnahme. Die Weiterführung der Massnahme in der Zürcher Kantonalbank wird derzeit diskutiert.
Warum ich es unbedingt wollte
Zwei Gründe: Ich bin seit je IT-affin. Softwareentwicklung? Super. Ich konnte nun Servicemanager von verschiedener Software sein. Und dann liegt der Fokus beim Driver Seat wie bekannt auf Führung. Ich fragte mich: Fällt Führung anderswo anders aus? Natürlich wollte ich auch herausfinden, ob der Bereich für mich einmal infrage kommen könnte. Später noch mehr dazu.
Was ich mit eingebracht habe
Vorweg: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Profis, sie wissen, was sie zu tun haben, wie es läuft. Trotzdem gibt es manchmal Probleme, die ich als Bereichsleiterin lösen muss. Mein Augenmerk gilt auch den strategischen Themen. Und ich bin als Führungsperson sehr viel im Austausch. Regelmässige und ad-hoc-Termine wechseln sich ab. Immerwährend steht die Frage im Raum: Wie entwickle ich meine Abteilung weiter? Insgesamt ist das ein grosser Erfahrungsschatz, so dass ich im Driver Seat glaubwürdig sagen konnte: Macht es doch eventuell so.
Die besondere Herausforderung
Was ich sage und was besser nicht – ich bin sicher, darüber macht sich eine Driver-Seat-Teilnehmerin in den vier Wochen laufend Gedanken. Gewisse Vorgeschichten kennt ein Neuankömmling nicht, gewisse Situationen in Meetings sind deshalb schwierig zu beurteilen. Manchmal ist also Zurückhaltung geboten. Dann: Der Driver-Seat-Geber war auch der Stellvertreter des Vorgesetzen. Es gab drei Tage, an denen beide nicht da waren. Da war ich dann allein unterwegs. Ich habe in dieser Zeit ein Teammeeting übernommen und an einem Führungsmeeting teilgenommen. Da habe ich schon sehr genau überlegt, was ich eingebe.
Was ich mitnehmen konnte
Ich habe aufs Neue gespürt, dass wir bei der Zürcher Kantonalbank wirklich ein Team sind, dass wir alle dieselben Grundwerte vertreten. Die Leute sind alle so passioniert für ihren Job, so motiviert. Ich habe es gar nicht anders erwartet, aber es dann zu erleben, ist noch einmal etwas anderes. Ich habe viele wertvolle Beobachtungen gemacht: So etwas wie zum Beispiel Empathie ist in der IT auch nötig – bitte nicht falsch verstehen –, aber offensichtlicher wird sie im Umgang mit Kundinnen und Kunden. In der IT haben die Mitarbeitenden ein ausgeprägtes Bedürfnis, Fachliches zu diskutieren, wer sich in der Terminologie auskennt, ist klar im Vorteil. Es geht immer um Facts. Und ja, die Erwartungen an Führung können hier anders sein als dort.
Was ich konkret umsetzte
Wir hatten ein technisches Problem. Ich habe dann gesagt, ich nehme das in die Hand; mittels Folien haben dann alle von mir den Überblick bekommen, wann was genau passiert ist. Es war zeitkritisch, doch wir haben das Problem noch am gleichen Tag gelöst. Wir haben dann gleichzeitig die Frage geklärt, wie wir es fortan noch besser machen können, damit es nicht wieder passiert. Darum geht es am Ende immer: um den positiven Abschluss.
Wie die Bank am besten kennenzulernen ist
Die Bank tut schon sehr viel. Die Geschäftseinheiten bieten Stages an, ich gehe immer noch dorthin, obwohl ich schon 20 Jahre in der Bank bin und sehr vieles kenne. Der Driver Seat bedeutet automatisch Networking; dies auf hohem Niveau. Kontakte sind immer hilfreich.
Driver-Seat-Geber Jürg Widmer Bänziger sagt
Der Job des Abteilungsleiters & Service Manager Anlagen & Vorsorge verlangt nicht nur nach Führungskompetenz, sondern auch nach IT-Fachkompetenz. Villa hat langjährige Führungserfahrung und vor allem auch Erfahrung in der Parametrisierung. Dank dieser Kombination konnte Villa während des Driver Seat aktiv mitarbeiten, sich in diversen Gremien einbringen und einzelne Aufgaben selbstständig erledigen. Sie hat aktiv hinterfragt, wieso wir dies so tun und ob man es nicht auch anders machen könnte. Dies war sehr wertvoll für mich und die Führungscrew.
Auftakt – ich bin da
Ich kannte einige Leute schon durch verschiedene Schnittstellen, was es etwas einfacher gemacht hat. Ich wurde vorgestellt, wurde nett begrüsst; einige, aber nicht alle wussten, dass ich einen Driver Seat bei ihnen machen würde, das war dann schon auch lustig im Meeting: Was macht sie denn heute hier? Oder sie haben mich gekannt und gefragt: Du bist doch im Retail Banking, was tust du hier? Logisch: Ich habe am ersten Tag viel zugehört, beobachtet auch, wir haben die Planung für die kommenden Wochen gemacht, es gab Kurzerklärungen, warum das Meeting, warum jenes. Freudig aufgeregt war ich, das trifft es wohl. Mit einem Augenzwinkern: Eine Frau in der IT? Das ist ohnehin eher auffällig.
Führungskraft – coole Sache und hartes Los
Es ist immer cool, strategisch unterwegs zu sein und Verantwortung zu haben für Mitarbeitende – sie alle haben ihre eigene Geschichte. Nicht immer spassig an einer Bereichsleitung ist, dass der Stapel manchmal nicht niedriger werden will und Neues erst einmal nicht in Angriff genommen werden kann, obwohl man so gern wollte.
Die besondere Begebenheit
Die drei Tage, die ich alleine war, etwa in der Mitte der im Driver Seat verbrachten Zeit, die waren schon sehr spannend. Ob ich mir das zutraue, wurde ich gefragt. Klar, ich probier's, habe ich geantwortet. Drei Tage allein in Folge, das dürfte im Driver Seat eher ungewöhnlich sein. Doch es hat sehr gut funktioniert. Das ging dann auch mit einem Glücksgefühl einher. Was ich sehr schön fand, dass die Leute mich von Beginn an akzeptiert und respektiert haben. Wie angedeutet: Es hat sicher auch daran gelegen, dass ich fachlich ganz gut mitdiskutieren konnte.
Augenblick des Innehaltens
Das war am zweiten oder dritten Tag. In meiner eigentlichen Abteilung ist es immer lebhaft. Das passiert in der IT schon auch, aber insgesamt ist es ruhiger, es gibt eine Stille. Da habe ich mich gefragt: Kann ich die Stille überhaupt aushalten? Ich bin jemand, die gern spricht. Aber es hat sich wirklich geändert, so dass ich am Ende eindeutig konstatieren konnte: Es geht. Es ist völlig okay. Es ist kein Problem. Ich kann auch Stille aushalten.
In nur einem Satz: Warum ich den Driver Seat empfehle
Vorweg: Es genügt nicht, einfach nur eine Führungsstufe sehen zu wollen. Man muss ein besonderes Interesse für das Thema haben. Gerade punkto IT gilt: Wenn man da überhaupt keine Ahnung von hat, dann wird es mutmasslich sehr schwer, vor allem der Austausch mit den Mitarbeitenden. Also, warum ich ihn empfehle: Es lässt sich in einem angemessenen Zeitraum ein sehr gutes Bild machen über die Führungsarbeit und das Thema.
Zukunftsmusik
Es hat sich bestätigt: IT interessiert mich einfach. Ich kann mir vorstellen, dort mittelfristig auch zu arbeiten. Absolut. Doch derzeit habe ich in meiner jetzigen Abteilung noch so viele Themen, die ich übers Ziel bringen möchte. Klasse jedenfalls, dass der Driver Seat angeboten wird: Es bedeutet immensen Aufwand für den Geber.