Innovative Führung: Selbstorganisation in KMU
Selbstorganisation fördert die Attraktivität von KMU als Arbeitgeber. Gerade im Wirtschaftsraum Zürich kann diese zeitgemässe Arbeitsweise helfen, Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Stefan Lenz, Unternehmer, Berater und Buchautor, kennt aus 25 Jahren Führungs- und Leadership-Erfahrung die Chancen und Stolpersteine moderner Zusammenarbeit in Unternehmen, Institutionen und Organisationen.
Text: Pedro Mor
Der demografische Wandel und der zunehmende Fachkräftemangel in der Schweiz stellen Unternehmen vor grosse Herausforderungen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen innovative Wege finden, um als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Ein vielversprechender Ansatz ist die Selbstorganisation, die laut Stefan Lenz eine zeitgemässe Form der Zusammenarbeit darstellt. Als Unternehmensberater und Projektleiter hat er in verschiedenen Unternehmen an selbstorganisierten Organisationsformen mitgewirkt.
Führungsverantwortung ist Teil der Rolle, aber auch der Person
In einem selbstorganisierten Unternehmen gibt es weniger Hierarchie, aber dennoch Strukturen und Prozesse. Übergeordnet sind Vorgaben notwendig, um den Projekten eine Vision und eine Richtung zu geben. Auf der operativen Ebene ist Führung zwar vorhanden, aber stärker von Fähigkeiten und Kompetenzen abhängig. Selbstorganisation bedeutet, dass Fachkräfte die Verantwortung für ihre Arbeitsergebnisse übernehmen und diese im Rahmen eines definierten Plans entwickeln und mit ihren Kolleginnen und Kollegen abstimmen. «Diese Organisation des Arbeitsflusses und der Ergebnisse braucht nicht unbedingt einen Chef oder eine Chefin – aber Regeln und Vereinbarungen sowie digitale Tools für die Zusammenarbeit», erklärt Lenz. Durch diese Struktur können Teams effizienter arbeiten und die Eigenverantwortung jedes Mitarbeiters wird gestärkt.
Die Anforderungen an die Mitarbeitenden sind jedoch hoch. Neben methodischen und persönlichen Kompetenzen ist ein ausgeprägter Teamgeist gefragt. «Die Arbeit wird im Team besprochen, beurteilt und die Aufgaben selbstständig bearbeitet», betont Lenz. Das fördert nicht nur die Effizienz, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, weil sie ihre Arbeit aktiv mitgestalten.
Es geht darum, wertvolles Wissen und Erfahrung mit neuen Methoden zu verbinden.
Stefan Lenz, Unternehmer, Berater und Buchautor (Bild: zVg)
Zusammenarbeit zwischen den Generationen fördern
Für die KMU im Wirtschaftsraum Zürich hat die Selbstorganisation besondere Vorteile. Die Region zieht hoch qualifizierte Fachkräfte an, die flexible und moderne Arbeitsmodelle bevorzugen. Selbstorganisation ermöglicht es den Unternehmen, diesen Erwartungen gerecht zu werden und gleichzeitig innovative Lösungen zu entwickeln. «Es geht darum, wertvolles Wissen und Erfahrung mit neuen Methoden zu verbinden», sagt Lenz. Diese Kombination macht Unternehmen nicht nur attraktiv, sondern auch wettbewerbsfähig.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Selbstorganisation ist die Möglichkeit, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen den Generationen zu fördern. Viele Jüngere suchen Flexibilität und eine Vier-Tage-Woche – zum Beispiel, um Beruf und Privatleben zu vereinbaren. Die Älteren bringen wertvolles Wissen und Erfahrung ein. «Wir schaffen einen funktionierenden Rahmen, der diese Zusammenarbeit ermöglicht», erklärt Lenz.
Zur Person
Stefan Lenz ist Unternehmer, Projektprofi und Verfechter des Milizsystems. Mit 25 Jahren Erfahrung in Projektmanagement, Führung und Leadership bringt er ein breites Wissen aus verschiedenen Aus- und Weiterbildungen in Betriebswirtschaft und Informatik in seine Tätigkeiten ein. Er ist Gründer, Partner und Verwaltungsratspräsident der 360excellence AG.
Sinnvoll für Prozess- und Produktmanagement , Marketing und IT
Um Selbstorganisation erfolgreich einzusetzen, müssen Unternehmen bewusste Entscheidungen treffen und klare Grenzen ziehen. Sinnvoll ist Selbstorganisation zum Beispiel bei der Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen, also im Prozess- und Produktmanagement, im Marketing und bei der Realisierung von Applikationen. «Man darf nicht einfach in die Selbstorganisation hineinstolpern», warnt Lenz. Wichtig seien zudem Schulungen und Praxisseminare, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Selbstorganisation vorzubereiten und den Dialog zwischen den Generationen zu fördern. Auch nach dem Start in der Selbstorganisation sind Weiterbildungssequenzen und Erfahrungsaustausch wichtig.
Die Umsetzung von Selbstorganisation erfordert Ausdauer und Engagement, bietet aber erhebliche Vorteile. Unternehmen können unabhängiger und effizienter arbeiten und gleichzeitig eine attraktive Arbeitgebermarke aufbauen. «Selbstorganisation ermöglicht es den Mitarbeitenden, das Unternehmen mitzugestalten und trägt dazu bei, den Fachkräftemangel zu reduzieren», fasst Lenz zusammen.
Tipps für KMU zur Einführung von Selbstorganisation
- Reflektieren Sie die derzeitige Arbeitsweise in Ihrer Firma.
- Identifizieren Sie vorhandene Ansätze von Selbstorganisation.
- Stellen Sie fest, wo Strukturen verbessert und Regeln diskutiert und vereinbart werden müssen.
- Klären Sie, in welchen Bereichen Selbstorganisation wenig Sinn macht, weil wenig Kreativität gefragt ist und regulatorische Zwänge bestehen.
- Setzen Sie sich intensiv mit dem Thema auseinander und treffen Sie bewusste Entscheidungen.
- Kommunizieren Sie diese Entscheidungen klar und deutlich.
- Ihre Mitarbeitenden werden diese Transparenz und Klarheit zu schätzen wissen.
Das Buch «Selbstorganisation macht Sinn» vom Herausgeberteam Stefan Lenz, Andreas Enz, Markus Sulzberger und Adrian Dätwyler will eine Orientierungshilfe für die Herausforderung «Zusammenarbeit» sein und den Leserinnen und Lesern Anregungen und praktische Unterstützung bei der Organisationsgestaltung geben. Es erscheint im Herbst 2024 im Versus Verlag, ISBN 978-3-03909-340-3; weitere Informationen unter www.selbstorganisation-kmu.ch.