Befähigt in der digitalen Welt

Woran sollen sich junge wie ältere Mediennutzerinnen und -nutzer in Zeiten von «Fake News» und künstlicher Intelligenz orientieren? Was dürfen sie glauben und was sollten sie bezweifeln? Zwei Experten sehen Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation in der digitalisierten Gesellschaft.

Text: Patrick Steinemann / Bilder: Raffinerie | aus dem Magazin «ZH» 3/2023

KI-Bild des ZKB-Hauptsitzes mit Nashorn
Ein solches Bild resultiert, wenn die künstliche Intelligenz «Midjourney» Menschen zeigen soll, die das Nashorn vor dem ZKB-Sitz an der Zürcher Bahnhofstrasse fotografieren.

Es führt und verführt, es bildet ab und aus, es spricht und widerspricht: Das kleine Wunderding namens Smartphone ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, denn es erweitert unsere reale Umgebung stets um ein Vielfaches an medialen Räumen. «Wir leben heute in einer digitalisierten Mediengesellschaft», bringt es Daniel Süss, Professor für Medienpsychologie an der ZHAW, auf den Punkt. «Unsere Welterfahrung geschieht zu einem grossen Teil durch Medien – und deshalb ist Medienkompetenz eine Grundvoraussetzung, um sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft in einem hybriden Umfeld bewegen zu können.»

Doch werden die Anforderungen an die Mediennutzerinnen und Mediennutzer immer grösser: Die künstliche Intelligenz generiert Texte, Algorithmen erschaffen Bilder – beides macht die Abschätzung der Glaubwürdigkeit immer schwieriger. Beim Surfen im Netz stellt sich dadurch die Vertrauensfrage immer häufiger. «Gesunder Menschenverstand und blosser Augenschein genügen heute nicht mehr», sagt Süss. «Wir müssen Technologiekenntnisse haben, Strategien und Interessen von Akteuren erkennen können und die Chancen und Risiken unseres eigenen medialen Handelns permanent abwägen.»

KI-Bild des Greifensees
So stellt sich «Midjourney» den Greifensee vor. Ein Bild des realen Sees diente der KI als Grundlage. Trotzdem ist das Werk diesem nur vermeintlich ähnlich.

Informationen filtern, Gefahren erkennen

Während Erwachsene auf den stetig wachsenden Erfahrungsschatz ihres Nutzerverhaltens zurückgreifen können, sind Kinder und Jugendliche vom Lebensstart an gefordert. Den kompetenten und verantwortungsbewussten Umgang mit digitalen Medien sieht deshalb auch Daniel Betschart, Programmverantwortlicher Medienkompetenz bei Pro Juventute, als Schlüsselkompetenz: «Junge Menschen gehen den digitalen Lebensalltag zwar offener und spielerischer an als Erwachsene. Aber auch sie müssen sich entsprechende Skills aneignen, lernen, Informationen zu filtern und Gefahren zu erkennen.»

Die Basis dafür legt das Modul «Medien und Informatik» im Lehrplan 21 der Schule. Gemäss Betschart sind hier vier Grundbausteine zentral: die Methodenkompetenz (das Wissen, wie etwas funktioniert), die Sachkompetenz (das technische Wissen inklusive Risikoabwägungen), die Selbstkompetenz (wie nutze ich Medien) und die Sozialkompetenz (das Wissen über die Zusammenarbeit in der digitalen Welt). Als Ergänzung zu den schulischen Angeboten ist Pro Juventute vor allem in den letzten beiden Bereichen aktiv: «Unser Ziel ist es, dass sich Kinder und Jugendliche psychisch gesund entwickeln können», sagt Betschart. Pro Juventute bietet deshalb neben Workshops in Schulklassen auch Veranstaltungen für Eltern und Grosseltern an (siehe Box). Thematisiert werden etwa der Umgang mit Social Media und den darin verbreiteten Selbst- und Fremdbildern, «Fake News» oder teilweise radikalen Meinungen. Oder die zunehmende Nutzung von digitalen Bezahldiensten und die dafür nötige Finanzkompetenz. Aber auch die Verhaltensregeln in der Familie bezüglich Bildschirmzeit kommen zur Sprache. «Eltern sollen vor allem offen sein und verstehen, dass die Aneignung von Medienkompetenz ein fortlaufender Prozess ist», sagt Betschart.

Grundsätzliche Offenheit und Lernbereitschaft, aber auch ein Sensorium für Risiken und Gefahren: Dies sind für die Medienfachmänner Betschart und Süss die wichtigsten Elemente von Medienkompetenz bei Jung und Alt. Und vor allem eine «Digital Life Balance»: ein gesundes Verhältnis von On- und Off-Zeit, um sich selbst nicht zu verlieren in einer der vielen reizüberfluteten digitalen Welten.

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