Schweizer Pensionskassenstudie 2020: Die Pensionskassen sind sicher, aber die Renten werden weiter sinken

Medienmitteilung vom 19. August 2020

Die neuste Pensionskassenstudie der Swisscanto Vorsorge AG fördert enorme Performanceunterschiede von 3,0% bis 19,3% zutage. Dies ist brisant, weil höhere Kapitalerträge einen Ausweg aus der politischen Sackgasse bieten: Bereits mit einer jährlichen Zusatzrendite von 0,6% könnte laut der Studie beispielsweise auf die politisch umstrittene Erhöhung des Rentenalters verzichtet werden. Auch Leistungssenkungen, die sich aufgrund einer Senkung des Mindestumwandlungssatzes von 6,8% auf 6,0% ergeben, könnten aufgefangen werden, womit eine Reform der 2. Säule eher die Zustimmung der Bevölkerung erhielte.

Die Swisscanto Pensionskassenstudie wurde in diesem Jahr zum 20. Mal durchgeführt. Die aktuellen Resultate der Jubiläumsausgabe zeigen, dass die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen sicher aufgestellt sind. Sie haben auf den demografischen Wandel und das anhaltende Negativzinsumfeld reagiert und die Umwandlungssätze gesenkt. Die aktiv Versicherten und Neupensionierten dagegen müssen seit über zehn Jahren ein sinkendes Leistungsniveau in Kauf nehmen. Damit steht das Vorsorgesystem der 2. Säule vor grossen, strukturellen Herausforderungen.

Um langfristig das Leistungsziel zu erhalten, sind Reformen dringend und unumgänglich. Es braucht zusätzliche Beiträge, um das sinkende Leistungsniveau zu kompensieren. Der Weg führt über höhere Renditen an den Kapitalmärkten und weitere Massnahmen zur Erhöhung der individuellen Altersguthaben.

Grosse Unterschiede bei Allokation und Performance

Im Jahr 2019 verzeichneten die Vorsorgeeinrichtungen ein hervorragendes Anlagejahr, die durchschnittliche Rendite lag bei 10,85%. Auffallend sind aber die enormen Performanceunterschiede. Die Spannbreite der erzielten Renditen reicht von 3,0% bis 19,3%. Diese grossen Renditeunterschiede dürften in den unterschiedlichen Anlagestrategien der Pensionskassen begründet liegen.

Die performancestärksten zehn Prozent der Pensionskassen haben in den letzten fünf Jahren eine jährliche Rendite von 5,4% erzielt. Der Unterschied gegenüber dem Durchschnitt aller Kassen (mit 4,0%) mit mehr als einem Prozent war erheblich. Betrachtet man die Anlagestrategie dieser Überflieger, stechen der hohe Aktienanteil und die tiefe Obligationenquote heraus.

Die performanceschwächsten zehn Prozent der Pensionskassen hielten Ende 2019 noch immer stattliche 39% an unrentablen Obligationenanlagen, obwohl ihr gutes Verhältnis zwischen aktiv Versicherten und Rentnern höhere Risiken und damit bessere Ertragschancen zulassen würde. Sie erzielten über einen Zeitraum von fünf Jahren durchschnittlich 2,6% Rendite. Das entspricht substanziellen 2,8% p.a. oder kumuliert über 14% weniger Rendite als diejenigen Kassen an der Spitze der Rangliste generiert haben.

Höhere Kapitalerträge bieten Ausweg aus der politischen Sackgasse

Betrachtet man die Quelle der Sparbeiträge der zweiten Säule genauer, zeigt sich Erstaunliches: Im Jahr 2019 lieferte der sogenannte dritte Beitragszahler 66% der Beiträge an das Vorsorgevermögen. Die Erträge der Kapitalmärkte waren im vergangenen Jahr damit knapp doppelt so hoch wie die einbezahlten Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammen.

Auch im Langfristvergleich über zehn Jahre dominierte der Performancebeitrag der Kapitalmärkte mit nahezu 40% über die beiden anderen Finanzierungsquellen. Demgegenüber stammten lediglich 37% der Sparbeiträge von den Arbeitgebern und 26% von den Arbeitnehmenden. Der Kapitalmarkt hat höchste Relevanz für die berufliche Vorsorge. Er sollte bei Reformvorschlägen viel stärker in die Lösungsentwicklung miteinbezogen werden.

Iwan Deplazes, Leiter Asset Management, Swisscanto Invest by Zürcher Kantonalbank: "Bereits mit einer jährlichen Zusatzrendite auf dem angesparten Vorsorgekapital von 0,6% könnte beispielsweise die Erhöhung des Rentenalters kompensiert werden. Auf einem schweizweit geschätzten Gesamtvorsorgevermögen von knapp 1'000 Mia. Franken bedeutet 0,6% Mehrrendite einen absoluten Mehrertrag von 6 Mia. Franken. Dass bei optimaler Ausschöpfung der Risikofähigkeit bessere Renditen erzielt werden können, bestätigen die performancestärksten Pensionskassen auf eindrückliche Weise."

Dank ihrem langfristigen Anlagehorizont können die Pensionskassen die kurzfristigen Schwankungen chancenreicher Anlagen in Kauf nehmen. Dazu muss aber auch der Regulator eine längerfristige Optik einnehmen und den Pensionskassen mehr Spielraum in Unterdeckungssituationen zugestehen.

Ohne Reformen werden die Renten noch stärker sinken

In den letzten zehn Jahren ist das Leistungsziel aus der ersten und zweiten Säule für einen AHV-Lohn von 80'000 Franken von 80% auf 69%, d.h. von einer Jahresrente von 64'000 Franken auf 55'200 Franken, gesunken. Dies ist der kontinuierlichen Senkung der Umwandlungssätze geschuldet. Um den Sinkflug der Renten zu stoppen, haben die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen Massnahmen zum Erhalt des Leistungsniveaus getroffen.

Die Mehrheit der befragten Kassen (55%) hat in den letzten drei Jahren die reglementarischen Sparbeiträge der Arbeitnehmer und -geber erhöht, praktisch alle Einrichtungen sehen dies in den nächsten drei Jahren vor. Ein Viertel der Kassen hat das Eintrittsalter für Beiträge in die zweite Säule gesenkt oder wird es senken. Der Übergangsgeneration der Babyboomer werden vielerorts zusätzliche Abfederungsmassnahmen gewährt, 60% der Vorsorgeeinrichtungen erhöht die Sparkapitalien der Neurentner aus Rückstellungen.

Individuelles Sparen fördern

Eine Möglichkeit zur Abfederung des sinkenden Leistungsniveaus bietet das individuelle Sparen, sei dies in der zweiten wie auch in der dritten Säule. Es sollte entsprechend gefördert werden. Die Hälfte der Pensionskassen bietet den Versicherten aktuell Wahlmöglichkeiten von Sparplänen an. Erstmals in der Swisscanto Pensionskassenstudie wurde abgefragt, welche Sparpläne von den Versicherten am häufigsten genutzt werden. Die Bereitschaft zum individuellen Sparen ist bislang jedoch gering. Nur rund 20% der aktiv Versicherten nutzten den höchsten Sparbeitrag, dagegen wählte die Hälfte den tiefsten Sparbeitrag.

Heini Dändliker, Leiter Key Account Management/ Firmenkunden Markt Schweiz der Zürcher Kantonalbank, kommentierte: "Die Pensionskassen haben erste Massnahmen umgesetzt und planen, das sinkende Leistungsniveau über weitere Kompensationsmassnahmen abzufedern. Künftig werden vermehrt auch die aktiv Versicherten gefordert sein, ihr Altersvermögen über höhere Sparbeiträge in die zweite und dritte Säule zu erhöhen. Bislang sind sie diesbezüglich zurückhaltend, die Politik sollte deshalb entsprechende Anreize setzen. Ich denke etwa an den Vorschlag, nachträglich in die dritte Säule einzuzahlen zu können."

Pensionskassen übernehmen gesellschaftliche Verantwortung

Die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen haben eine grosse gesellschaftliche Verantwortung. Sie nehmen diese vermehrt über Investitionen in nachhaltige Anlagen wahr. Der Anteil der nach sogenannten ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Corporate Governance) investierten Anlagen hat sich in den letzten fünf Jahren über alle Branchen hinweg stark erhöht. Grosse Pensionskassen sind mit 46,6% bereits stärker in ESG-Anlagen investiert als kleine Kassen, deren Anteil 2019 durchschnittlich 11,2% am Vorsorgevermögen ausmacht.

Mediapräsentation

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Exkurs: Schnelle Erholung von der Corona-Krise

Die Berufliche Vorsorge der 2. Säule in der Schweiz hat den exogenen Schock der Corona-Krise gut absorbiert. Die Pensionskassen haben an ihrer Anlagestrategie festgehalten und konnten ihre Wertschwankungsreserven trotz des kurzfristigen Börseneinbruchs Anfang März auf einem hohen Niveau halten.

Dank des hervorragenden Anlagejahres 2019 konnten die Pensionskassen ihre Wertschwankungsreserven äufnen und ihre Widerstandsfähigkeit stärken. Dies zeigt sich anschaulich an der Entwicklung des Deckungsgrads, der bei Werten über 100% ein Indikator für die vorhandenen Wertschwankungsreserven ist. Mit einem Deckungsgrad von rund 114% per Ende 2019 hatte eine Mehrheit der privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen ihre Zielvorgaben erreicht. Die Marktverwerfungen Ende März 2020 haben zu einem kurzfristigen Rückgang der Deckungsgrade um rund 10 Prozentpunkte geführt. Diese haben sich jedoch rasch erholt. Sie notierten per Mitte 2020 bei 110% und damit über dem Stand per Ende 2018.

Eine Mehrheit der Pensionskassen verfügt also weiterhin über ausreichende Wertschwankungsreserven und dürfte sich auch bei künftigen Marktschwankungen als widerstandsfähig erweisen. Den Pensionskassen ist zugute gekommen, dass 95% während der Coronakrise an ihrer definierten Anlagestrategie festgehalten und keine kurzfristigen, taktischen Manöver gewagt haben.