Schweizer Pensionskassenstudie 2021: Pensionskassen legen zunehmend nachhaltig an, doch beim Klima besteht grosser Nachholbedarf
Medienmitteilung vom 9. Juni 2021
- Trotz Pandemie haben die Schweizer Pensionskassen 2020 eine gute Performance erzielt, die Ergebnisse der Kassen variieren aber stark
- Die Wertschwankungsreserven steigen, was den Spielraum für eine bessere Verzinsung für die Versicherten erhöht
- 25% der Kassen haben ESG-Kriterien eingeführt, aber nur 4% ein CO2-Reduktionsziel
- Die Umverteilung von den Aktiven zu den Rentnern hat sich 2020 verlangsamt, bleibt aber bestehen
- Sammelstiftungen nehmen eine höhere Umverteilung in Kauf, da sie im Dilemma stehen zwischen Anpassung der technischen Parameter und Wettbewerbsfähigkeit
- Knapp zwei Drittel der öffentlich-rechtlichen Kassen haben das Rentenalter 65 für Frauen bereits vorweggenommen
Schweizer Pensionskassen verwalten für ihre Versicherten in der zweiten Säule ein Vermögen von über 1000 Milliarden Franken. Durch ihre Anlageentscheide beeinflussen sie auch das Klima. In ihrer 21. Ausgabe hat die Swisscanto Pensionskassenstudie die Umfrage deshalb erstmals um einen ausführlichen Fragekatalog zu Umweltstandards, sozialen Kriterien und solchen für korrekte Unternehmensführung (ESG) ergänzt. Die Ergebnisse zeigen, dass der weltweite Trend zu nachhaltigem Anlegen die Pensionskassen definitiv erfasst hat, dass aber ausgerechnet beim Megathema Klima noch erheblicher Nachholbedarf besteht.
Gemäss Umfrage haben 25% der 514 befragten Pensionskassen bereits ESG-Kriterien in ihrem Anlagereglement eingeführt, während es 2015 nur 8% waren. Weitere 9% der Kassen werden dies im Verlauf der nächsten drei Jahren einführen. Und schliesslich wird bei einem Viertel ein solcher Passus diskutiert, ohne dass schon über eine Einführung entschieden wurde. Grosse Pensionskassen mit mehr als CHF 500 Mio. verwalteten Vermögen haben einen Vorsprung: Bereits 44% haben ESG-Kriterien eingeführt, während es bei kleinen Kassen lediglich 14% sind. Dass die Mehrheit der Kleinen beim Nachhaltigkeitstrend Aufholbedarf hat, zeigt sich auch beim Anwenden von Ausschlusskriterien bezüglich Branchen, Unternehmen oder Ländern: Während 64% der Grossen solche eingeführt haben, sind es erst 29% der Kleinen.
Ausgerechnet bei Klimamassnahmen und CO2-Reduktionszielen haben aber alle Vorsorgewerke Nachholbedarf: So setzen im Schnitt nur 17% auf die Messung von CO2 in ihrem Portfolio (Grosse: 32%; Kleine: 7%). Weitere 6% überlegen sich eine Messung einzuführen. Schlecht sieht es bei konkreten Reduktionszielen aus: Lediglich 4% der Kassen haben bereits ein solches Ziel eingeführt (Grosse: 8%; Kleine: 1%) und nur 11% denken darüber nach (Grosse: 17%; Kleine: 6%).
Die Studie zeigt, dass nachhaltiges Anlegen als dritte Dimension neben Rendite und Risiko immer wichtiger wird. Neue Regulationen auf nationaler und internationaler Ebene, die für zusätzliche Transparenz und Vergleichbarkeit sorgen, verleihen einen weiteren Schub. "Klimarisiken sind Anlagerisiken, da Firmen mit CO2-intensiven Geschäftsmodellen Wertverluste drohen", sagt Iwan Deplazes, Leiter Asset Management Swisscanto Invest der Zürcher Kantonalbank. In der Transformation zu einer klimafreundlichen Wirtschaft werde sich niemand mehr solche Anlagen leisten können.
"Der Einbezug von ESG-Kriterien in den Anlageprozess reduziert die Risiken. Und durch die Höhe der verwalteten Vermögen wird auch ein grosser Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel geleistet", sagt Deplazes. "Alle Vermögensbewirtschafter und Pensionskassen tragen hier eine besondere Verantwortung für junge Versicherte, die in der zweiten Säule durch die Umverteilung von Aktiven zu Rentnern bereits benachteiligt sind. Denn konsequentes klimaschonendes Anlegen hilft, die indirekte Umverteilung von Jung zu Alt auf dem Buckel des Planeten zu beenden."
Für die Pensionskassen sind Aktien die neuen Obligationen
Die Pandemie hat 2020 zunächst Spuren hinterlassen, aber die rasche Erholung nach dem Börsen-Taucher im Frühjahr hat doch noch für eine solide Anlageperformance gesorgt: Die durchschnittliche Rendite liegt bei 3,97% (2019: 10.85%). Es zeigen sich aber enorme Unterschiede zwischen der besten Kasse mit 12.30% und der schlechtesten mit –6.50%. Je grösser und professioneller die Kassen, desto besser schneiden sie ab: Jene mit einer Grösse über CHF 500 Mio. erzielen mit 4.02% eine höhere Rendite als kleine Kassen mit 3.90%. Dies zeigt sich auch langfristig: Über die letzten zehn Jahre performten Grosse mit durchschnittlich 4.57% pro Jahr besser als Kleine mit 4.27%.
Im anhaltenden Tiefzinsumfeld setzen sich bezüglich Anlagekategorien die Trends der Vorjahre fort: So steigt einerseits der Aktienanteil mit 32.7% auf ein Rekordhoch, während Obligationen mit 28.9% auf ein Rekordtief sinken. Innert eines Jahrzehnts ist der Obligationenanteil in den Portfolios um 22% gesunken, während der Aktienanteil um 26% und der Immobilienanteil um 18% zugelegt haben. Hier fällt auf, dass sich erhöhte Immobilienrisiken vor allem bei kleineren Kassen konzentrieren: Betrachtet man den Zehntel mit der grössten Immobilienquote, sind diese mit einem verwalteten Vermögen von CHF 500 Mio. im Schnitt nur ein Drittel so gross wie der Durchschnitt. Diese Vorsorgewerke legen 41,7% ihrer Anlagen in Immobilien an, während es bei allen Vorsorgeeinrichtungen nur 24,4% sind.
Dass Aktien Obligationen als Kernanlagen ersetzt haben, zahlt sich aus, wie ein Blick auf die 10% der Kassen mit der höchsten Performance zeigt: Hierbei handelt es sich um überdurchschnittlich grosse Kassen, die mit 39.5% auch einen deutlich höheren Aktienanteil aufweisen. Ihre Performance über die letzten fünf Jahre liegt mit 6.0% weit über dem Schnitt von 4.6%. Hingegen nur 3,2% Rendite erzielt der Zehntel der schlechtesten Kassen. Diese zeichnen sich durch einen deutlich höheren Obligationenanteil von 32,8% aus. "Den Renditeunterschied macht aber 2020 nicht der höhere Aktienanteil an sich aus, sondern die stärkere Auslandsallokation", sagt Deplazes. "Wichtig ist, dass man nicht nur die Risiken betrachtet, sondern auch die Chancen einer professionellen Anlagepolitik. Denn es ist klar, dass der Finanzmarkt als dritter Beitragszahler eine unverzichtbare Stütze bleibt – und attraktive Risikoprämien erhält man nur durch wohlüberlegtes und diversifiziertes Eingehen von Risiken."
Wertschwankungsreserven dank guter Performance erhöht
Insgesamt gesehen sind Schweizer Pensionskassen so gesund wie lange nicht mehr. Dank den guten Renditen können sie ihre finanzielle Stabilität verbessern und die Reserven erhöhen. So ist der Deckungsgrad der Kassen auf den höchsten Stand der letzten zehn Jahre gestiegen. Dank der guten Performance stehen den Kassen mehr Mittel zur Verfügung, die viele dazu nutzen, um ihre Wertschwankungsreserven zum Teil substanziell zu erhöhen. So haben bereits 69% aller Kassen ihre Ziel-Wertschwankungsreserven zu mindestens drei Viertel geäufnet (gegenüber 63% im Vorjahr).
Gleichzeitig hat sich auch der Abwärtstrend bei den Diskontsätzen für Vorsorgekapitalien und technische Rückstellungen fortgesetzt – wenn auch verlangsamt. Waren bis vor wenigen Jahren Diskontsätze unter 2% noch unvorstellbar, sind sie mittlerweile Realität geworden: 72% der Schweizer Pensionskassen kalkulieren mit einem technischen Zinssatz von unter 2% – 2019 waren es erst 57%. Im Schnitt lag dieser Satz bei den privatrechtlichen Kassen bei 1,59% und bei den öffentlich-rechtlichen bei 1,86%. Dies ist angesichts steigender Lebenserwartungen und des anhaltenden Tiefzinsumfeldes folgerichtig: Denn die Sicherung der Renten bleibt die grösste Herausforderung der Pensionskassen. Wie die Studie zeigt, gehen die Vorsorgeeinrichtungen ihre Hausaufgaben an.
Umwandlungssätze sinken noch mehr
Die schlechte Nachricht für die Versicherten ist, dass sie mit tieferen Umwandlungssätzen rechnen müssen. Diese sind auch 2021 weiter gesunken. So beträgt der durchschnittliche Umwandlungssatz bei Frauen beim Rentenantritt mit 64 Jahren 5,46% und bei Männern mit 65 Jahren 5,52%.
Die Umwandlungssätze liegen schon heute grösstenteils unter 6% und damit unter der Zielgrösse, die der Bundesrat für die aktuelle BVG-Revision als Mindestumwandlungssatz vorsieht. Das zeigt, wie überfällig die Anpassungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind. Die aktuell diskutierte Senkung dürfte kaum die letzte sein. Denn mit Blick in die Zukunft rechnen die meisten Vorsorgewerke aufgrund der steigenden Lebenserwartung, den tiefen Zinsen und dem begrenzten versicherungstechnischen Spielraum mit weiteren Senkungen beim Umwandlungssatz. Für das Jahr 2025 rechnen sie noch mit einem durchschnittlichen Umwandlungssatz von rund 5,3%.
Es fällt auf, dass knapp zwei Drittel der öffentlich-rechtlichen Kassen das in der politischen Debatte diskutierte Rentenalter 65 für Frauen in ihren Reglementen bereits vorweggenommen haben – bei den privatrechtlichen ist es hingegen nur ein Drittel.
Umverteilung nimmt ab – nicht aber bei Sammelstiftungen
Die solide Anlageperformance erlaubt den Pensionskassen 2020 im Durchschnitt eine Verzinsung der Guthaben der Aktivversicherten von 2,03% (2019: 2,64%), was erneut klar über der Zinsgutschrift auf dem Rentnerkapital liegt. Innerhalb der Kassen zeigt sich dabei eine beträchtliche Bandbreite: Während die Einrichtungen privater Arbeitgeber im Durchschnitt 2,17% anrechnen, liegt der Satz bei den Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen öffentlicher Arbeitgeber nur bei 1,48%. Vorsorgeeinrichtungen mit voll geäufneten Wertschwankungsreserven können eine höhere Verzinsung gewähren (2,29%) als solche, die weiter Reserven bilden müssen (1,84%).
"Erfreulicherweise konnten die Schweizer Vorsorgewerke 2020 die Umverteilung von Aktiven zu Rentnern reduzieren, weil sich die Verzinsungsdifferenz zugunsten der Aktiven entwickelt hat. Der Preis dafür sind allerdings tiefere Umwandlungssätze", sagt Heini Dändliker, Leiter Key Account Management Firmenkunden bei der Zürcher Kantonalbank. So wurden die Reserven durch eine verlangsamte Senkung der technischen Zinssätze entlastet und die Umwandlungssätze weiter reduziert. "Angesichts der Einbussen, die die Aktivversicherten als Folge der Umverteilung in der Vergangenheit hinnehmen mussten, ist es begrüssenswert, dass Vorsorgeeinrichtungen mit weitgehend geäufneten Wertschwankungsreserven über mehr Spielraum für die Aktivversicherten verfügen", sagt Dändliker.
Weiterhin eine tendenziell höhere Umverteilung nehmen hingegen Sammelstiftungen in Kauf: Sie weisen gegenüber privatrechtlichen Kassen tendenziell höhere technische Zins- und Umwandlungssätze aus. Zudem schreiben sie auf den Altersguthaben weniger Zinsen gut. "Die Sammelstiftungen befinden sich in einem Dilemma zwischen der Anpassung der technischen Parameter und ihrer Wettbewerbsfähigkeit", sagt Dändliker.
Starker Zinsanstieg würde kurzfristig hohe Verluste auslösen
Neben Klimarisiken und möglichen Korrekturen am Aktien- oder Immobilienmarkt sollten die Stiftungsräte auch das Szenario eines abrupten Zinsanstiegs im Hinterkopf behalten. 2020 haben sich die Zinsen leicht erholt, verbleiben aber weiterhin negativ. Mit der anziehenden Konjunktur nach der Krise wird vermehrt über steigende Zinsen spekuliert. "Ein heftiger Zinsschock würde kurzfristig zu Wertvernichtung bei den Anlagen führen: Steigt der Zins im In- und Ausland um 1%, würde der kurzfristige negative Effekt auf das Gesamtportfolio der Pensionskassen gemäss unseren Berechnungen 4,8% betragen", sagt Iwan Deplazes. "Ein solcher Verlust schlägt selbst eine Simulation auf der Grundlage des Szenarios der Finanzkrise von 2008 deutlich. Mittelfristig würden die höheren Zinsen allerdings den Versicherten wieder zugutekommen."
Medienpräsentation
Was Versicherte angesichts der sinkenden Renten in der 2. Säule tun können
- Bei der Pensionskasse den Vorsorgeplan mit den höchsten Sparbeiträgen wählen
- Sich in die Pensionskasse einkaufen, wenn diese gesund ist, also einen Deckungsgrad von deutlich über 100% und einen technischen Zins von maximal 2% aufweist
- Bei der Evaluation für einen neuen Job auch die Pensionskassenlösung des neuen Arbeitgebers sowie die erzielten Renditen miteinbeziehen
- Jedes Jahr den Maximalbetrag in die Säule 3a einzahlen – und wenn es drin liegt darüber hinaus auch privat sparen oder anlegen. Je jünger man ist, desto höher kann dabei die Aktienquote sein
- Bei der Pensionierung auf nicht benötigte Leistungen (z.B. Partnerrente bei Singles) verzichten, falls es die Pensionskasse anbietet. Dadurch erhöht sich die Rente
- Über das Pensionsalter hinaus arbeiten, wenn es die Pensionskasse zulässt