Ausgewählte Heraus­forderungen aus rechtlicher und regulatorischer Perspektive

Innovationen bringen immer auch rechtliche Fragestellungen mit sich. Linus Martinis, Teamleiter Legal bei der Zürcher Kantonalbank, äussert sich im Zusammenhang mit der Regulierung von Kryptowährungen zu ausgewählten Themen.

Interview: Melanie Gerteis

Linus Martinis, Teamleiter Legal bei der Zürcher Kantonalbank (Bild: Simon Baumann)

Der ursprüngliche Grundgedanke der Blockchain basierte auf der Anonymität der Teilnehmenden. Herr Martinis, wie können Banken trotzdem die Geldwäschereibestimmungen einhalten?

Während die einzelnen Transaktionen auf der Blockchain nachvollzogen werden können, stellen Zahlungen mit Kryptowährungen hinsichtlich der Anonymität von Sender und Empfänger in der Tat eine grosse Herausforderung dar. Dessen ungeachtet müssen Finanzinstitute technologieneutral die geltenden finanzmarktrechtlichen Bestimmungen einhalten. So müssen sie beim Transfer von Kryptowährungen – wie im herkömmlichen Zahlungsverkehr – die sogenannte Travel Rule beachten. Gemäss dieser sind bei einem Zahlungsauftrag die Auftraggeber- und Empfängerinformationen zu übermitteln. So kann der empfangende Finanzintermediär insbesondere die notwendigen geldwäscherei-rechtlichen Prüfungen vornehmen.

Müssen Banken bei der Entgegennahme von Kryptovermögen zusätzliche Prüfungen vornehmen?

Die geltenden finanzmarktrechtlichen Vorgaben werden bei der Entgegennahme von Kryptovermögen angewandt. Neben den geldwäscherei-rechtlichen Vorgaben beziehungsweise Prozessen muss bei Kryptovermögen zusätzlich dessen Herkunft mittels Analyse der Blockchain-basierten Transaktionsdaten plausibilisiert werden. Es wird also verifiziert, ob das Vermögen wirklich aus den von der Kundschaft genannten Transaktionen stammt. Da deren Anzahl in der Regel hoch ist, kann auf die Nutzung eines darauf spezialisierten technischen Hilfsmittels kaum verzichtet werden.

Für den Standort Schweiz ist es zentral, dass der Rechtsrahmen sowohl Innovationen ermöglicht als auch gleichzeitig dessen Integrität und den guten Ruf gewährleistet. Wie können Banken diese unterschiedlichen Anforderungen in Einklang bringen?

Schon früh wurde in der Schweiz der Ansatz verfolgt, etablierte finanzmarktrechtliche Regularien technologieneutral auf innovative Vorhaben anzuwenden. Zudem hat der Bundesrat im Jahr 2021 mit der Gesetzesanpassung zur Distributed-Ledger-Technologie, kurz «DLT-Gesetz», verschiedene Anpassungen in bestehenden Gesetzen beziehungsweise Verordnungen in Kraft gesetzt. Damit ist in verschiedenen Bereichen mehr Rechtssicherheit bei der Handhabung von Kryptowährungen geschaffen worden – insbesondere im Bereich des Konkursrechts.

Insgesamt bietet die technologieneutrale Anwendung bewährter Regularien, verschiedentliche Konkretisierungen durch den Regulator und weiterer Organisationen sowie das DLT-Gesetz eine solide Grundlage dar, um die Schweiz als einen der führenden Standorte für Innovationsunternehmen im Bereich der Blockchain-Anwendungen zu bezeichnen. Neben der Offenheit für Innovationen wird dadurch gleichzeitig die Integrität sowie Reputation des Finanzplatzes Schweiz gefördert.

«Neben den geldwäscherei-rechtlichen Vorgaben beziehungsweise Prozessen muss bei Kryptovermögen zusätzlich dessen Herkunft mittels Analyse der Blockchain-basierten Transaktionsdaten plausibilisiert werden», sagt Linus Martinis, Teamleiter Legal bei der Zürcher Kantonalbank (Bild: Simon Baumann)

Was passiert, wenn über eine Bank als Verwahrer von Kryptowährungen der Konkurs eröffnet wird?

Das erwähnte DLT-Gesetz hat unter anderem die Absonderung von Kryptowährungen beziehungsweise «kryptobasierten Vermögenswerten» im Konkursfall geregelt. Nun ist klar: Wenn die im Gesetz aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind, fallen die kryptobasierten Vermögenswerte aufgrund der Absonderung nicht in die Konkursmasse. Damit diese Regel jedoch greift, muss sich die Bank als Verwahrer dazu verpflichtet haben, die kryptobasierten Vermögenswerte jederzeit für die Kundschaft bereitzuhalten. Weiter müssen die entsprechenden kryptobasierten Vermögenswerte der Kundschaft individuell zugeordnet sein im Sinne einer Individualverwahrung, oder es muss klar ersichtlich sein, welche Anteile an einem Gesamtvermögen bei einer Sammelverwahrung der Kundin oder dem Kunden zustehen. Nur so besteht beim Konkurs des Verwahrers ein Anspruch des oder der wirtschaftlich Berechtigten gegenüber der Konkursmasse und die kryptobasierten Vermögenswerte werden herausgegeben.

Welche wesentlichen Regulierungen im Bereich Kryptowährungen werden derzeit in der Schweiz und Europa diskutiert?

Im Juni 2023 ist innerhalb der Europäischen Union erstmals eine weitreichende Regulierung im Bereich Kryptowährungen, die sogenannte Verordnung über Märkte für Kryptowerte, kurz MiCA, in Kraft getreten. Die Verordnung hat zum Ziel, Anlegerinnen und Anleger zu schützen, den Missbrauch von Kryptowährungen zu verhindern – es geht hier insbesondere um Marktmanipulationen und Geldwäscherei – sowie weiterhin Innovationen zu ermöglichen. Krypto-Dienstleister, also Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen, und somit auch Betreiber von Handelsplattformen für Kryptowerte, sogenannte Exchanges, sind mit diesen neuen Anforderungen gefordert. Die Verordnung führt insgesamt zu mehr Klarheit beim geltenden Rechtsrahmen und folglich zu mehr Stabilität. Herausforderungen ergeben sich jedoch für Krypto-Dienstleister aus der Schweiz, welche den europäischen Markt bedienen wollen. Hier muss klar analysiert werden, welche Dienstleistungen mit welchen Kryptowährungen unter welchen Voraussetzungen erbracht werden dürfen.

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